Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)
ihrerseits ja noch nicht einmal, was in diesen Minuten in dem Lord wirklich vor sich ging. Er dachte unentwegt an seine große Liebe und daran, dass er Jeannet möglichst bald in London treffen würde. Möglichst bald? Ach, erst musste er selber mal in London sein und er wusste, dass mit dem angeschlagenen Schiff im Schlepptau das ein ziemlich zeitintensives Unterfangen werden würde. Und wann würde dann Jenannet endlich den Weg nach london finden? Sie konnte ja wohl kaum mit ihrem Piratenschiff einfach so in den Hafen einlaufen. Nein, das war alles viel schwieriger als es ihm gefallen konnte. Deshalb beschäftigte es ihn ja auch die ganze Zeit.
Wie sollte er darüber bemerken, dass die noch jugendliche Prinzessin von Spanien ihn anzuhimmeln begann?
"Das war gut ausgedrückt, Mylord und als Vorschlag sowieso überaus tauglich. Ich nehme ihn an: Nennt Ihr mich weiterhin Majestät, damit ich älter wirke - und während Ihr mit mir scherzt, wirkt Ihr jünger. Dann sind wir ja ungefähr gleich alt, nicht wahr? Ach, wären wir da nicht sogar ein schönes Paar? Ich meine, ganz im Sinne der Pflege der englisch-spanischen Freundschaft."
Sie lauschte ihren Worten nach und hoffte inbrünstig, dass sie nicht zu dumm klangen.
Der Lord lachte darüber, weil er immer noch der Meinung war, die Prinzessin wolle nur mit ihm scherzen.
"Also gut, völlig einverstanden, Majestät."
"Und was machen wir nun als Nächstes?", rief sie erleichtert.
"Nun, ich nehme doch an, Ihr seid von all der Aufregung müde geworden und wollt Euch ein wenig Ruhe gönnen?"
"Damit Ihr euch wieder zurückziehen könnt? Kommt ja gar nicht in Frage. Das kann ich unmöglich zulassen, Mylord."
"Ich kann aber auch nicht Euer Nachtlager teilen. Es wäre selbst unter echten Gleichaltrigen sehr unziemlich, wie ich zu bedenken geben möchte."
"Was wäre daran denn unziemlich? Schließlich seid Ihr ein Lehrer, was höfische Verstellung betrifft - ergo mein Privatlehrer mit höchsten Kompetenzen sozusagen."
"Umso mehr muss ich Zurückhaltung üben, denn genau das passt zur höfischen Verstellung, Majestät, glaubt mir das bitte. Ihr seid eine Dame von hohem Rang und ich Euer Diener. Ich bin schon über Gebühr lange in Eurer Nähe."
Der meint es ernst!, riefen ihre Gedanken alarmiert. Und in der Tat: Der Lord deutete wieder mal eine besonders gekonnte Verbeugung an und zog sich rückwärts durch die noch offen stehende Tür gehend zurück.
Die Prinzessin war so perplex, dass sie ganz vergaß, etwas dazu zu sagen. Und dann war der Lord schon verschwunden.
Sie rannte hinterher, aber er war wie von den Schiffsplanken verschlungen. Sie konnte ihn nirgendwo mehr sehen.
Da waren nur ein paar verschwitzte Matrosengesichter, die mühsam ein Grinsen unterdrückten. Eine Frau an Bord eines Kriegsschiffes zumal auch noch eine echte Prinzessin - war schon etwas sehr Besonderes.
Ein anderer Matrose, der neben der Tür stand und jetzt erst von der Prinzessin entdeckt wurde, verbeugte sich knapp und sagte: "Mit Verlaub, Majestät, aber ich wurde zu Eurem Schutz abgestellt, wenn Ihr erlaubt."
"Natürlich", murmelte sie halb geistesabwesend, zog einen Schmollmund, was dieser Aussage eigentlich widersprach und kehrte in die Kabine zurück. Hinter sich warf sie viel zu heftig die Tür ins Schloss. Sie dachte an "ihren" Lord. Wieso hatte der sich so schnell zurück gezogen? Er hatte es sogar so eilig, dass schon er gar nicht mehr draußen gewesen war...
Sie grübelte darüber nach.
Da waren bisher unbekannte Gefühle in ihrer Brust, die sie schwerlich verarbeiten konnte. Sie wusste nur, dass diese Gefühle mit dem Lord zu tun hatten. Er war aber auch ein äußerst ungewöhnlicher Mann. Allein seine Augen... Und dann die Art, wie er sich bewegte...
Ihr schwindelte unwillkürlich und sie warf sich bäuchling auf die Koje.
"He, Lordchen, warum gehst du nicht mehr aus meinem Kopf? Wer hat dich denn da hinein gebeten?", versuchte sie, sich selber aufzuheitern.
Sie warf sich herum, um gegen die Decke zu starren.
Ja, warum hatte sich der Lord so plötzlich zurück gezogen? Erst scherzte er noch mit ihr herum und dann...?
"Kann es sein, dass Ihr mehr in mir seht als die Prinzessin von Spanien? Vielleicht eine... richtige Frau?"
Ihr Herz schlug unwillkürlich ein paar Takte schneller. Sie verkrampfte ihre Hände vor der Brust.
"Ja, das wäre eine Erklärung für dieses seltsame Verhalten. Ihr seid ja regelrecht vor mir... geflohen. Was geht in Euch vor? Ihr seid gewiss
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