Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)
Es wird Zeit, dass wir diese Bürde wieder los werden. Laut sagte er jedoch: "Ihr seid eine wahre Konkurrenz zur aufgehenden Sonne. Trotz ihrem wahrlich herrlichen Anblick vermag sie beinahe Euch gegenüber zu verblassen."
"So, meint Ihr?" Carla wirkte zwar unausgeschlafen, aber ihr Verstand war wacher als es dem Zweiten lieb sein konnte. Sie durchschaute seine Schmeichelei prompt. "Beinahe wäre ich auf Eure Worte hereingefallen. Hättet Ihr nur nicht allzu dick aufgetragen. Ach, ich sehe Euch an, dass Euch meine Aussprache stört. Glaubt mir, meine Aussprache des Englischen ist immer noch besser als Euer Benehmen. Ihr solltet Euch ruhig einmal einen Exkurs in Benimm gönnen. Ich wüsste da einen ausgezeichneten Lehrer, zum Beispiel Euren Kommandanten Lord Donald Cooper!"
In seinen Augen blitzte es verräterisch, doch er beherrschte sich meisterlich und deutete diesmal eine viel gekonntere Verbeugung an.
"Wie Ihr beliebt, Prinzessin. Ich werde mich gleich an ihn wenden."
"So er nichts Besseres zu tun hat als sich um hoffnungslose Talente zu kümmern. - Wo ist er eigentlich?" Blitzschnell wechselte sie das Thema. Der Zweite schluckte erst einmal schwer, um die erneute Abfuhr zu verdauen, ehe er bemüht höflich antwortete: "Auf dem Schiff, Eure Durchlaucht!"
"Einmal abgesehen, dass die Anrede falsch ist - ja, sogar ich weiß das, obwohl höfische Verstellung nicht gerade zu meinen Stärken zählt: Wo könnte er denn sonst sein? Ein Bad nehmen im Meer oder wie?"
"Ich bitte untertänigst um Vergebung für die unglückliche Wahl meiner Worte. Ich bin untröstlich."
"Wo ist er nun?", herrschte sie ihn an. Sie hatte diesen Naismith von Anfang an nicht ausstehen können und fragte sich bereits, wieso der Lord ihn überhaupt zum Zweiten Offizier bestellt hatte. Da war der Erste Offizier ein völlig anderes Kaliber.
"Die Wahl Ihrer Worte allerdings ist stets vortrefflich. Wenn Ihr erlaubt, aber Ihr seid wahrlich eine äußerst außergewöhnliche Prinzessin, von scharfem Verstand und..."
Carla hatte genug. Sie schob sich wortlos an ihm vorbei und machte sich selber auf die Suche.
Es war nicht das, was Naismith erwartet hatte. Er stand stocksteif vor Entsetzen an seinem Platz und musste sich eingestehen, einen kapitalen Fehler begangen zu haben: Er hatte durch seine Schmeicheleien nicht nur das Misstrauen der mit hellwachem Verstand gesegneten Prinzessin geerntet, sondern er war gewissermaßen bei ihr für alle Zeiten in Ungnade gefallen. Schlimmer noch: Wenn sie jetzt einfach so auf dem Schiff umher lief, brachte sie die Besatzung nur noch mehr aus dem Konzept. Wohin sollte das denn führen? Eine Frau an Bord eines so stolzen Kriegsschiffes, das unmittelbar dem Befehl Ihrer Majestät unterstellt war - und dann auch noch als eine fremdländische Prinzessin hoher Gnaden?
"Wo ist sein Captain, so spreche er, Matrose!", fragte Carla einen der Männer, der halb über ihr in den Takellagen hing. Was er dort zu tun hatte, entzog sich völlig ihrem Verständnis. Von Seefahrt verstand sie ohnedies überhaupt nichts. Das war für sie alles nur sehr seltsam und verwirrend. Sie hatte Mühe, sich auch nur vorzustellen, wieso das alles überhaupt funktionieren konnte.
Er zeigte ein schiefes Grinsen. In seiner Lage konnte er sich nicht verbeugen, obwohl er sich redlich bemühte.
"Mit Verlaub, Gnädigste, aber der Captain ist für gewöhnlich in der Kapitänskajüte. Ihr findet sie bei der Kommandobrücke." Er löste eine Hand und deutete vage in die entsprechende Richtung. Das hätte er besser nicht getan, denn beinahe verlor er vollends den Halt. Gelächter aus rauen Männerkehlen klang auf, allerdings eher verhalten, als fürchte man den Zorn der Prinzessin.
Zu viele hatten das knappe Geplänkel zwischen ihr und dem Zweiten Offizier mit bekommen. Sie wussten seitdem, dass sie die hübsche junge Dame keineswegs unterschätzen durften. Sie war zwar eine Prinzessin, aber Schlagfertigkeit lag ihr offensichtlich mehr als höfische Verrenkungen. Dem zollten die Männer Respekt, obwohl sie sich noch nicht ganz einig waren darüber, wie sie sich ihr gegenüber verhalten sollten. Sie waren Männer, Angehörige der Kriegsmarine zumal. Sie waren Schlimmes gewöhnt und unter dem Lord gehörten sie
gewissermaßen einer Spezialeinheit an, die unmittelbar unter dem Kommando der Königin stand, in deren direktem Auftrag der Lord sie befehligte.
Keiner von ihnen konnte den Zweiten Offizier so recht leiden. Für sie war er ein
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