Fluch, Der: Roman
zusehe, bemerke ich nur, wie er in seinem Essen herumstochert.
Vielleicht ist er einer von den heimlichen Essern. Könnte sein. Aber ich glaube nicht. Er hat ein hungriges Gesicht, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Billy lächelte leicht und nickte. Er verstand. Yard Stevens sah aus als ›würde Essen ihm nicht gut tun‹, wie seine Mutter immer zu sagen pflegte.
»Ich sage Ihnen noch was - aber das sind wahrscheinlich alte Schulweisheiten. Beide Männer rauchen. Yard Stevens behauptet, bei ihm wäre es eine Packung leichte Marlboro am Tag, was vermutlich eineinhalb oder zwei Packungen bedeutet. Duncan gibt pro Tag zwei Schachteln Camel an, was bedeutet, daß er aller Wahrscheinlichkeit nach drei oder dreieinhalb raucht. Ich meine, haben Sie Duncan schon mal ohne eine Zigarette in der Hand oder im Mundwinkel gesehen?«
Billy dachte nach und schüttelte den Kopf. Houston hatte sich inzwischen wieder mit Kokain bedient. »So, das reicht«, bemerkte er und schob die Schublade mit entschlossener Geste zu.
»Jedenfalls haben wir auf der einen Seite Yard, der pro Tag eineinhalb Schachteln teerarme, leichte Zigaretten raucht, und auf der anderen Seite Duncan, der pro Tag drei Packungen schwarze Sargnägel in sich hineinzieht – vielleicht auch mehr. Aber wer ist derjenige, der den Lungenkrebs zu sich einlädt, so daß er ihn von innen her zerfressen kann? Yard Stevens. Warum? Weil sein Stoffwechsel alles in sich aufsaugt. Und der Stoffwechselspiegel steht irgendwie mit dem Krebs in Zusammenhang.
Es gibt Ärzte, die behaupten, daß man Krebs heilen könne, wenn man den genetischen Code knacken könnte. Für einige Krebsarten mag das zutreffen. Aber wir werden ihn nie richtig heilen können, solange wir den Stoffwechsel nicht ganz kapiert haben. Was uns zu Billy Halleck, dem unglaublich schrumpfenden Mann, zurückfuhrt. Oder vielleicht besser: dem unglaublich massenreduzierenden Mann.
Nicht massenproduzierend, sondern massenreduzierend.«
Houston stieß ein einzigartiges, wieherndes Gelächter aus, und Billy dachte: Wenn es das ist, was Kokain einem antut, bleibe ich vielleicht doch lieber bei meinen Schokoladentörtchen.
»Sie wissen also nicht, warum ich abnehme?«
»Nein.« Houston schien diese Tatsache Vergnügen zu bereiten. »Aber ich vermute, daß Sie sich selbst dünn denken.
Das gibt es. Es kommt sogar ziemlich häufig vor. Jemand kommt in meine Praxis, weil er ernsthaft abnehmen möchte.
Normalerweise ist etwas geschehen, das ihm Angst eingeflößt hat - Herzrhythmusstörungen oder ein kleiner Ohnmachtsanfall beim Tennisspielen oder beim Feder-oder Volleyball, irgendwas in der Art. Also verschreibe ich ihm eine sanfte, beruhigende Diät, mit der er über mehrere Monate hinweg zwei bis fünf Pfund pro Woche abnehmen kann. Auf diese Art kann man ohne Streß und Anstrengung zwischen sechzehn und vierzig Pfund verlieren. Soweit so gut. Doch die meisten nehmen viel mehr ab. Sie halten sich strikt an die Diät, aber sie verlieren wesentlich mehr Gewicht, als die Diät allein bewirken könnte. Es ist so, als stünde im Gehirn plötzlich ein Wachposten auf, der dort jahrelang geschlafen hat, und finge an, so etwas Ähnliches wie ›Feuer!‹ zu brüllen. Der Stoffwechsel wird schneller ... weil dieser Wachposten ihm klar gemacht hat, er müsse noch fünf Pfund rausschaffen, bevor das ganze Haus abbrennt.«
»Na gut«, sagte Billy. Er wollte sich überzeugen lassen. Er hatte sich extra einen Tag freigenommen, und jetzt hatte er keinen sehnlicheren Wunsch, als so schnell wie möglich nach Hause zu fahren, um Heidi zu sagen, daß alles in Ordnung wäre, und sie dann die Treppe hinaufzuführen, um im Nachmittagssonnenlicht, das durch die Schlafzimmerfenster fallen würde, mit ihr Liebe zu machen. »Ich kauf's Ihnen ab.«
Houston stand auf, um ihn hinauszubegleiten. Halleck bemerkte amüsiert, daß er weißen Puderstaub unter der Nase hatte.
»Wenn Sie weiterhin abnehmen, werden wir eine totale Stoffwechselanalyse machen lassen«, sagte Houston. »Ich mag Ihnen den Eindruck vermittelt haben, daß diese Tests alle nichts taugten, aber im Grunde geben sie uns eine Menge Anhaltspunkte. Doch glaube ich kaum, daß es nötig sein wird.
Meine Vermutung geht eher dahin,daß der Gewichtsverlust langsam von selbst aufhören wird – diese Woche fünf Pfund, drei Pfund die nächste, die Woche darauf noch eines –, und dann werden Sie auf die Waage steigen und feststellen, daß Sie wieder ein oder zwei Pfund zugenommen
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