Fluch des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Kuss des Tigers 3: Roman (German Edition)
Früher lebte ich allein dafür, aber nun ist es meine Buße.«
»Deine Buße?«
»Ja. Weil ich den Mann betrog, den ich liebte.«
Ich ließ den Rahmen auf meinen Schoß sinken und starrte sie an. Sie blickte auf und bedeutete mir mit einer Handbewegung weiterzuarbeiten.
»Soll ich dir erzählen, was geschehen ist?«, fragte sie. »Ich habe die Geschichte seit Jahren niemandem mehr anvertraut, und irgendetwas sagt mir, dass du mich verstehen wirst.«
Ich nickte stumm, und sie begann: »Vor vielen, vielen Jahren wurden Frauen für ihr Geschick bei der Handarbeit bewundert. Mädchen wurden in sehr jungen Jahren im Sticken unterrichtet, und jene, die am geschicktesten waren, durften für den Kaiser nähen. Einige, nur ein paar wenige, ehelichten sogar Adlige, und dank ihres Talents mangelte es ihren Familien an nichts.
Am Neujahrsfest wurden die jungen Mädchen ausgewählt, welche dieses Handwerk erlernen durften. Sie versammelten sich um eine Schüssel mit Wasser und tauchten ihre Finger am Rand hinein. Dann wurde eine Nadel auf die Wasseroberfläche gelegt und gedreht. Sobald sie anhielt, wurde das Mädchen, auf das die Nadel zeigte, zu einem besonderen Stick-Kurs gebracht.
Neugeborene Mädchen mit schlanken, langen Fingern wurden aufmerksam beobachtet in der Hoffnung, sie würden der Familie durch ihre Kunstfertigkeit Ruhm und Reichtum bringen. Ich war ein solches Kind. Mir wurde nachgesagt, niemand im ganzen Reich könne besser mit der Nadel umgehen als ich, und die Muster, die ich erschuf, waren begehrt und wurden von den reichsten Männern erstanden. Mein Vater erhielt fünfzig Heiratsanträge für mich, bevor ich auch nur das sechzehnte Lebensjahr erreichte, doch er wies sie alle ab. Er war ein stolzer Mann und glaubte, ich bekäme noch bessere Angebote, wenn ich mein Können perfektionierte.«
»Wie hast du dann denjenigen getroffen, in den du dich verliebt hast?«
Sie schnalzte mit der Zunge. »Einen Augenblick, meine Kleine. Etwas Wunderschönes zu erschaffen, erfordert Übung und viel Geduld.«
»Tut mir leid. Fahr bitte fort.«
Sie lehnte sich vor, um meine Arbeit zu überprüfen. »Du hast Talent mit der Nadel, aber du musst die letzten beiden Perlen auftrennen. Sie stehen ein bisschen zu weit auseinander.«
Ich starrte eindringlich auf den Stoff. Für mich sahen sie perfekt aus, aber es war ihr Projekt, weshalb ich die Perlen gehorsam löste und von vorne begann.
»Ein paar Jahre später, mit zwanzig, traf ich einen gut aussehenden jungen Mann, der in der Seidenfabrikation arbeitete. Seine Familie züchtete die Raupen, spann und färbte das Garn, und sie waren sehr gut, die besten im Land. Sobald ich das hauchzarte Garn in den Fingern hielt und die Vollkommenheit der Färbung sah, legte ich Wert darauf, nur noch bei ihnen zu bestellen.
Ich wurde beauftragt, die zukünftige Braut des Kaisers mit Kleidern auszustatten. Er hatte eine grandiose Zeremonie geplant, obschon er die Glückliche noch nicht ausgewählt hatte. Mein Vater wurde fürstlich entlohnt dafür, dass er meine Arbeitskraft zur Verfügung stellte. Ich sollte ein Jahr im Palast wohnen und prächtige Kleider und einen Brautschleier für die neue Frau des Kaisers nähen. Die Aussicht auf ein solches Unterfangen war aufregend für ein junges Mädchen wie mich. Mir wurden großzügige Zimmerfluchten in der Nähe des Kaisers zugewiesen, und es fehlte mir an nichts. Als meine Familie von Zeit zu Zeit zu Besuch kam, sah ich die Freude, die meine Anwesenheit im Palast ihnen bereitete.
Es gab nur zwei Probleme. Das erste bestand darin, dass der Kaiser sehr anspruchsvoll war und sich sein Geschmack täglich wandelte. Er stattete mir jede Woche einen Besuch ab, um meine Fortschritte zu kontrollieren. Gerade hatte ich ein Muster begonnen, da änderte er auch schon wieder seine Meinung. In der einen Woche wollte er Vögel, in der nächsten Blumen, in der einen Gold, dann Silber und Blau, Rot, ein hauchzartes Lavendel, ein sattes Violett und so weiter. Der Mann änderte öfter seine Meinung, als er sein Badewasser wechselte. Vielleicht war das der Grund, warum er so lange brauchte, um eine Braut auszusuchen.«
Ich lachte leise.
Sie runzelte die Stirn. »Das zweite Problem war, dass er mir bei seinen Besuchen schon bald eindeutige Avancen machte. Wenn ich seine Verlobte ansprach, lachte er und sagte: ›Ich bin sicher, sie wird nichts dagegen haben. Ich habe noch nicht einmal entschieden, welche Frau ich möchte, aber ich sollte bis Ende des
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