Fluch des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Kuss des Tigers 3: Roman (German Edition)
beobachtete, wie das Geschöpf mich langsam umhüllte. Er wirkte schrecklich traurig und warf mir einen Blick zu, als würde er mich nie mehr wiedersehen.
Während die Qualle mich vorsichtig zum Fenster zog, packte mich Ren am Arm, drückte seine Lippen an mein Ohr und sagte: »›Wie Wellen an des Ufers Kieseln bersten, so eilen unsre Stunden an ihr Ziel.‹« Zärtlich küsste er meine Schläfe und flüsterte: »Vergiss nie, ich liebe dich, Priyatama .«
Ich wollte ihm gerade eine Antwort geben, als mich das Geschöpf durch das Fenster in den eiskalten Ozean sog. Mir war jedoch nur für einen kurzen Moment kalt, denn sobald mich das Tier in seine gefiederte Umarmung schloss, veränderte sich die Temperatur. Mein Kopf wurde unter den Schirm gezogen und auf ein warmes, weiches Kissen gebettet, das in der Dunkelheit wie eine flackernde Kerze schwach leuchtete.
Ich hörte das Pumpen von Luft, ähnlich einem Blasebalg. Als ich erkannte, dass das Tier Sauerstoff für mich produzierte, musste ich lachen. Der Rest meines Körpers baumelte in einer Art Hängematte, die die Tentakel gebildet hatten. Es fühlte sich an, als faulenzte ich in einem heißen Spa, und beinahe überkam mich das Gefühl, die Qualle könnte meine Gedanken lesen, denn kurz darauf begann ihr Körper zu summen und zu vibrieren. Ich seufzte und entspannte mich in den fähigen »Händen« meiner Tiefsee-Masseurin.
Als ich einen Moment später die Augen einen Spalt öffnete, sah ich, dass sich Ren zu uns gesellt hatte. Durch den durchsichtigen Ballon konnte man ihn leicht ausmachen, und schräg dahinter war Kishan. Die Lichter dämpften sich zu einem schwachen Glühen, und ich spürte das mächtige Pumpen meiner Qualle, als sie sich im dunklen Wasser nach oben kämpfte. Die Siebte Pagode löste sich in einem Strudel aus Schatten unter uns auf, und dann war sie verschwunden.
Unser Fahrdienst bewegte sich unaufhaltsam, wenn auch langsam, und ich spürte weder den Druck des umgebenden Ozeans, noch sah ich irgendein Ungeheuer der Unterwasserwelt, obschon ich besorgt Ausschau hielt. Die Quallen schwebten, einem Ozeanballett gleich, anmutig um die eigene Achse. Als sich meine ein winziges Stück über die anderen schob, fühlte ich mich wie eine Lady mit einem bauschig weiten, spitzenverzierten Petticoat samt filigranem Sonnenschirm, die über eine Bühne schwebte und nichts wahrnahm, außer den Männern, die zur Show gekommen waren und mich mit hungrigen Augen vom Parkett aus anstarrten.
Ich konnte regelrecht spüren, wie wir die abyssopelagische Zone verließen und hinauf durch das Bathyal und in J ın sèlóngs Reich vordrangen. Hier waren auf einmal Fische zu sehen. Zu Anfang waren es nur unheimliche Geschöpfe mit langen Zähnen, doch als das Wasser allmählich heller wurde, erblickte ich einen Pottwal. Nachdem wir noch höher gestiegen waren, tauchte der erste Hai auf. Ich geriet in Panik, doch es war nur ein Hammerhai, der uns keinerlei Beachtung schenkte. Ein Schwarm Thunfische mit funkelnden Schuppen schoss an uns vorbei, und ich holte erleichtert Atem. Wir würden es schaffen. Dreihundert Meter lagen schätzungsweise noch vor uns. Weitere Tiere schwammen an uns vorbei, einige von seltsamer Gestalt, doch die Qualle ließ sich von ihrem stetigen Kurs nach oben nicht abbringen.
Aufgeregt wies ich Kishan auf das erste Pflanzenbüschel hin, als ich eine spürbare Unruhe im Wasser bemerkte. Kishan riss die Augen auf, und ich betete zitternd, dass es nicht das war, was ich befürchtete. Ich presste die Hände gegen die elastische Haut des Schirms und spähte in den Ozean. Zunächst sah ich nichts, doch dann drehte die Qualle sich, und ich erblickte den furchterregenden Umriss des riesigen Hais aus der Siebten Pagode. Er schwamm gemächlich seine Runden, patrouillierte im Wasser.
Das Ungeheuer hatte das Maul leicht geöffnet, und selbst aus der Entfernung konnte ich die Reihen scharfer Zähne sehen. Andere Haie näherten sich ihm neugierig und ergriffen dann blitzschnell die Flucht. Auch eine Gruppe Delfine wich hastig vor ihm zurück und stieß Warnschreie aus. Ich beobachtete, wie sie sich fortstahlen, und wünschte, ich könnte es ihnen gleichtun, doch ich wusste, dass dieser Hai keines der anderen Meerestiere angreifen würde. Er fraß nicht. Er schlief nicht. Sein Dasein hatte nur einen einzigen Zweck – die Schwarze Perlenkette davon abzuhalten, zur Wasseroberfläche zu gelangen … Und die Kette hing um meinen Hals. Die gute Nachricht war, dass
Weitere Kostenlose Bücher