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Flucht aus dem Harem

Flucht aus dem Harem

Titel: Flucht aus dem Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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ist vor mehr als sechs Jahren gestorben. Nur mehr Ihr Großvater und ich leben noch hier. Der Earl hat den Tod seines einzigen Sohnes nie verwunden. Es ist ein Segen, dass Sie hier sind, Miss Katherine.“
Sie versuchte den Schlag zu verdauen. Ihr Vater war tot, und ihr Großvater der einzige Verwandte, der ihr noch geblieben war. Damit hatte sie nicht gerechnet. „Bringen Sie mich zum ihm, Mr. Baynes“, sagte sie mit rauer Stimme. „Ist er denn bei guter Gesundheit, oder sollte man ihn schonend auf mein Eintreffen vorbereiten?“
„Nein, er ist gesund, an Geist und Körper. Aber er ist verbittert und hadert mit dem Schicksal, das ihm alles genommen hat. Sie kommen zum rechten Zeitpunkt. Zweifellos wird der Anblick seiner Enkelin sein kaltes Herz erwärmen.“ Baynes nahm die Öllampe von der Wand. „Kommen Sie mit, ich bringe ich Sie zu ihm.“
Die Worte des Butlers beruhigten sie nicht. Im Gegenteil. Sie fühlte sich nach der langen Reise schmutzig und hätte gerne die Kleider gewechselt. Aber dazu war nun keine Zeit mehr.
Im schemenhaften Licht der Lampe erkannte sie die mit weißen Tüchern verhängten Bilder und Möbel im Salon. Auf dem versiegelten Parkett lagen keine Teppiche, deshalb hallten ihre Schritte an den Wänden wider wie in einem Mausoleum.
„Der Earl bewohnt ein Apartment hier unten, um sich das Treppensteigen zu ersparen. Ich bin im Zimmer nebenan untergebracht, außer der Küche sind alle Räume des Hauses unbewohnt. Ich werde natürlich sofort eine Suite für Sie fertigmachen, Miss Katherine.“
Sie nickte und hielt den Atem an, als der Butler vor einer der Türen stehenblieb und klopfte. Er trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten, und sie folgte ihm.
In einem Lehnsessel, vor dem ein niedriger Fußhocker stand, saß ihr Großvater. Die Beine wurden von einer dünnen Decke verhüllt, der Kopf lehnte an der hohen gepolsterten Rückwand. Seine Hände hatte er im Schoß verschränkt.
Im Kamin knisterte ein schwaches Feuer, einige Kerzen spendeten Helligkeit. In einer der Ecken stand ein altmodisches Bett aus dunklem Holz, vor dem Fenster ein Schreibtisch und an den Wänden hohe Bücherregale. Den Boden bedeckte ein Teppich, dessen Muster man nur mehr erahnen konnte.
„Euer Lordschaft“, begann der Butler. „Wir haben Besuch, sehen Sie nur.“
Die schweren Lider des alten Mannes hoben sich und enthüllten blassblaue Augen, deren durchdringender Blick sich jetzt auf sie richtete. Langsam hob er den von dichtem, weißem Haar bedeckten Kopf, und noch langsamer richtete er sich auf, bis er kerzengerade dasaß.
Die Musterung dauerte endlos lange und wurde schließlich durch ein einziges Wort beendet. „Katherine.“
Erst jetzt war sie wirklich bereit, den Namen zu akzeptieren. „Ja, Großvater, ich bin Katherine, ich bin zurückgekommen.“
Die knotigen Finger schlossen sich um die Armlehnen und einen Augenblick lang dachte Katherine, dass er sich hochstemmen würde, aber er hielt sich nur fest.
„Und wo ist …“, er kämpfte mit den Worten, als müsste er erst den richtigen Ausdruck finden. „… deine Mutter?“
„Sie blieb im Harem des Paschas in Alexandretta. Sie ist nicht mehr in der Lage, zu reisen.“ Ihre Stimme klang kühl und fest, wie sie dankbar feststellte.
„Das ist natürlich ein Jammer“, sagte der alte Mann ironisch. „Ich hätte ihr zu gerne ins Gesicht gespuckt. Und ihr dann den Hals umgedreht.“
Katherine schluckte. „Großvater, ich verstehe deine Gefühle …“
Sein bitteres Auflachen unterbrach sie. „Du verstehst also meine Gefühle? Wohl kaum! Diese Schlampe hat meinen einzigen Sohn auf dem Gewissen! Er hat es nie verwunden, dass sie ihn verlassen hat, um mit einem dahergelaufenen Wilden zu leben. Alles hat er für sie getan, alles! Und was war der Dank?“
Der Hass, der aus seinen Worten troff, brachte Katherines Knie zum Zittern. „Meine Mutter“, begann sie nervös, „hat mir aufgetragen, ihre Entschuldigung zu überbringen. Da mein Vater tot ist, überbringe ich sie dir, Großvater. Sie bedauert, was geschehen ist. Hätte sie noch einmal die Wahl, sie würde sich anders entscheiden.“ Sie senkte den Kopf. „Louise wurde nicht glücklich.“
„Auf jeden Fall glücklicher als Randolf“, stellte ihr Großvater unbeeindruckt fest. „Und glücklicher als ich.“
Katherine schwieg.
„Hat sie dich deshalb hergeschickt? Um ihr Gewissen zu erleichtern?“
Katherine unterdrückte den Impuls, ihm entgegenzuschleudern, dass sie ebenfalls das Opfer der

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