Flucht aus Katmandu
Metallschwächen und das Leben nach dem Tode zu denken …
Ich rutschte auf meinem Sitz vor, in der Hoffnung, daß die anderen Passagiere zu beschäftigt waren, um bemerkt zu haben, daß Buddha seinen Schokoriegel geschluckt hatte, ohne vorher das Papier zu entfernen. Bei den beiden uns gegenüber war ich mir gar nicht so sicher, aber sie waren so sehr Engländer, daß sie Buddha allerhöchstens nicht so oft angesehen hätten, wenn sie ihn für etwas seltsam hielten. Kein Problem.
Es dauerte nicht lang, bis der Steward »Stellen Sie bitte das Rauchen ein!« sagte und die Maschine sich vornüber neigte und auf eine besonders spitze Gruppe schneebedeckter Gipfel zuhielt. Keine Spur einer Landepiste; in der Tat erschien schon allein die Vorstellung, daß sich da unten eine befinden könnte, völlig absurd. Ich atmete tief durch. Um Ihnen die Wahrheit zu sagen – ich hasse das Fliegen.
Ich nehme an, einige von Ihnen kennen die Landepiste von Lukla direkt unter der Everest-Region. Sie liegt hoch neben der Dudh Khosi-Schlucht, und der Grasstreifen, der etwa um fünfzehn Grad abfällt und nur zweihundert Meter lang ist, führt genau in die Talwand. Wenn man dort landet, kann man eigentlich nur diese Talwand sehen, und man hat den Eindruck, direkt darauf zuzurasen. In der letzten Minute zieht der Pilot die Maschine hoch und landet auf dem Streifen, und nach dem unausweichlichen Hoppeln rollt man ziemlich schnell aus, weil es so steil aufwärts geht. Es ist eine beeindruckende Erfahrung, und einige Leute finden danach zur Religion oder geben zumindest das Fliegen auf.
Doch in Wirklichkeit gibt es mindestens ein Dutzend Landepisten der RNAC in Nepal, die viel schlimmer als die in Lukla sind, und zu unserem Leidwesen stand die Piste bei J– ganz oben auf dieser Liste. Zuerst einmal war sie ursprünglich gar keine Landepiste gewesen, sondern ein Gerstenfeld, eine Terrasse von vielen auf einem Berg über einem Dorf. Man verbreitete sie und installierte an einem Ende einen Luftsack, nachdem man die Gerste natürlich herausgerissen hatte, und das war's dann schon. Eine Instant-Landepiste. Nicht nur das, sondern das Tal, in dem sie sich befand, war auch noch tief – etwa fünfzehnhundert Meter – und fiel sehr steil ab, mit einer fast vertikalen Felswand knapp anderthalb Kilometer flußaufwärts von der Landepiste und einer scharfen Biegung knapp anderthalb Kilometer flußabwärts, und wirklich niemand, der noch bei gesundem Verstand war, käme auf die Idee, dort eine Landepiste anzulegen. Meine Überzeugung davon wuchs zusehends, als wir dreitausend Meter tief in das Terrassental stürzten und so nah an einer seiner Wände vorbeiflogen, daß ich bequem den Gerstenertrag pro Hektar hätte schätzen können, hätte mir der Kopf danach gestanden. Ich versuchte, Buddha zu beruhigen, doch er nestelte das Papier meines Schokoriegels aus dem Aschenbecher und schien nicht gestört werden zu wollen. Manchmal wäre es ganz nett, ein Yeti zu sein. Dann erblickte ich unsere Landepiste, beobachtete, wie sie größer wurde – so groß wie ein Lineal ungefähr –, und wir setzten auf. Unser Pilot war gut; wir hoben nur zweimal wieder ab und hätten noch ein paar Meter gehabt, als wir stehenblieben.
17
Und so fand unsere kurze Bekanntschaft mit dem Yeti Buddha ein Ende, nachdem wir ihn erfolgreich aus der Gewalt von Menschen befreit hatten, die durch ihn in der Tretmühle des akademischen Betriebs zweifellos erfolgreich Fuß gefaßt hätten.
Ich muß sagen, daß Buddha einer der nettesten Burschen war, die zu kennen ich jemals das Vergnügen gehabt hatte, und ganz bestimmt einer der gelassensten. Er ließ sich wirklich durch nichts aus der Ruhe bringen.
Doch um zum Ende zu kommen: wir sammelten unser Gepäck ein und marschierten den gesamten Nachmittag zum Kopf des Tals weiter und dann durch ein bewaldetes Hochtal westlich davon. Wir zelteten diese Nacht auf einem breiten Sims über einem kleinen Wasserfall zwischen zwei riesigen Felsen. Nathan und Sarah teilten sich das eine Zelt, Buddha und ich das andere. Ich wurde zweimal wach und sah, wie Buddha an der Zelttür saß und auf das gewaltige Tal unter uns hinausschaute.
Am nächsten Tag marschierten wir schnell und fast ohne Pausen, ständig bergauf, und erreichten schließlich das Frühjahrslager der Expedition. Wir ließen unser Gepäck fallen und überquerten den Fluß auf einer neuen Bambusbrücke, und Nathan und Buddha führten uns querfeldein weiter, durch den Wald zu der
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