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Flucht aus Oxford

Titel: Flucht aus Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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Kate. »Die Frage ist nur: Wie kommen wir jetzt ins Haus?«
    »Ich könnte mir denken, dass die Hope-Stanhopes so etepetete sind, dass sie ihren Haupteingang überhaupt nicht nutzen, sondern gleich nach hinten gehen«, sagte Roz und steuerte zielstrebig auf eine tief im dicken Mauerwerk eingelassene Eichentür zu. In den Bäumen hinter ihnen gurrten Tauben. Auf der Veranda trockneten grüne Gummistiefel und ein Paar ausgetretene, schmutzverkrustete Tennisschuhe. Ein Wanderstock und ein Tennisschläger lehnten an der Wand. Der Fliesenboden war dem Anschein nach seit Jahren nicht mehr ordentlich geschrubbt worden.
    Roz drückte den Klingelknopf. Irgendwo tief drinnen im Haus hörte man es schellen. Nach einer Weile klapperten hohe Absätze über einen Steinboden, dann wurde die Tür geöffnet.
    »Schön, dass Sie kommen konnten«, flötete Emma Hope-Stanhope. »Wie klug von Ihnen, nicht durch den Haupteingang zu kommen! Die Tür ist dermaßen verriegelt und verrammelt, dass wir den halben Abend damit verbracht hätten, sie aufzubekommen.«
    »Ist Gatt’s Hill ein so gefährliches Pflaster?«, fragte Roz. »Das war mir noch gar nicht aufgefallen.«
    »Die Versicherung verlangt es, diese Paragrafenreiter! Treten Sie ein und lernen Sie die anderen Gäste kennen.«
    Durch düstere, schäbige Steinkorridore ging es zur Vorderseite des Hauses, wo der Fußboden aus glänzend poliertem Holz bestand. Kate und Roz folgten Emma Hope-Stanhope in ein elegantes Wohnzimmer.
    »Jon, Liebling, hier sind die beiden netten Damen, die neu im Dorf sind. Ich habe dir von ihnen erzählt.«
    Jon Hope-Stanhope sah genauso aus, wie sie es erwartet hatten: groß und schlank, in Tweed gekleidet, mit regelmäßigen Zügen, gepflegtem, langsam ergrauendem Haar und makellos gewienerten braunen Schuhen. Seine Nase schien geradezu prädestiniert dafür zu sein, sie über andere Leute abschätzig zu rümpfen. Er hätte ohne Weiteres um 1900 für ein Porträt des Malers John Singer Sargent als »Englischer Landedelmann« Modell sitzen können. Sein Alter schätzte Kate auf etwa Mitte vierzig, und als er ihr die Hand schüttelte, hielt er sie ein wenig zu lang fest.
    »Oh, prächtig, prächtig«, sagte er mit einem freundlichen Lächeln auf den gut geschnittenen Lippen, während seine blauen Patrizieraugen auf Kates Busen starrten. »Schön, dass Sie kommen konnten. Hatten Sie einen weiten Weg? Prächtig, prächtig! Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten? Wäre ein Gin Tonic genehm?«
    »Aber ja«, sagte Roz.
    »Ich hasse Gin«, murmelte Kate, als er endlich ihre Hand losließ und sich um die Getränke kümmerte.
    »So etwas trinkt man nun einmal in solchen Häusern«, erklärte ihre Mutter streng. »Du wirst dich anständig benehmen, Kate. Nicht, dass sich deine Mutter deiner schämen muss.«
    Kate schluckte die freche Bemerkung hinunter, die ihr auf der Zunge lag, und ging zu den anderen Gästen.
    »Das ist Jenny Philbee«, stellte Emma vor, »mit ihrem Mann Sam. Kennen Sie Kate Ivory?«
    »Wir haben uns im Narrow Boat gesehen«, sagte Kate, die sich gut an die kleine, untersetzte Frau erinnerte, deren glattes graues Haar zum Bubikopf geschnitten war und deren heiteres Gesicht noch nie mit Make-up in Berührung gekommen zu sein schien. An diesem Abend trug sie ein schleimgrünes Strickensemble und ein Paar Schuhe, von denen man schon beim bloßen Hinsehen Blasen an den Füßen bekam. Ihr Ehemann war größer und dicker als sie, hatte ein rötliches Gesicht und spärliches blondes Haar. Er trug ordentlich gebügelte Tweedhosen, ein Flanellhemd mit Strickkrawatte und sah aus, als würde er sich tausendmal lieber mit seinen Schweinen unterhalten, als mit einem Glas Gin Tonic in der Hand in diesem schicken Salon zu stehen. Als Emma ihm Kate vorstellte, brachte er nur den dorfüblichen »Mnerf«-Laut über die Lippen. Kate beobachtete, wie er einen Schluck von seinem Drink nahm und sofort die stumpfe Nase rümpfte. Was den Gin anging, musste sie ihm völlig recht geben.
    Rings um sie herum wurden Belanglosigkeiten ausgetauscht; man unterhielt sich, ohne dass mehr als ein zeitweiliges Lächeln oder Nicken, ein gelegentliches »furchtbar, nicht wahr!« oder »nein, natürlich nicht« von ihr verlangt wurde, und so konnte sie sich ganz auf ihre Beobachtungen konzentrieren.
    Der Raum war so elegant, wie man es im Haus von Emma und Jon Hope-Stanhope nur erwarten konnte; die spärliche Möblierung bestand aus Antiquitäten, die aussahen, als ob sie sich schon

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