Flucht aus Oxford
jenem Abend?«
»Ich habe nicht darauf geachtet, aber wahrscheinlich wäre mir aufgefallen, wenn sie die Kette nicht getragen hätte. Sie muss sie umgehabt haben.«
»Danke für die Auskunft«, sagte Kate. »Ich gebe Ihnen ein Bier aus, wenn ich Sie mal im Pub treffe.«
»Nicht nötig«, antwortete Russell. »Sie sollten jetzt gehen. Ich bin mit ein paar Freunden verabredet, die sich sicher schon wundern, wo ich bleibe. Und Ihre Freunde werden sich vermutlich fragen, was Sie hier zu suchen haben.«
»Danke für Ihre Hilfe.«
»Wir sehen uns«, sagte Russell und öffnete die Wohnungstür.
»Tschüss, meine Süße«, rief er hinter ihr her, als sie die Treppe hinunterging. »Du darfst jederzeit wiederkommen – ich setze dich bestimmt nicht vor die Tür.«
Kate war sich sicher, dass diese Verabschiedung nicht ihr galt, sondern nur eventuell lauschende Kumpel ablenken sollte.
13
»Du siehst ausgesprochen zufrieden mit dir aus«, sagte Roz, als Kate ins Crossways Cottage zurückkehrte.
»Bin ich auch. Und ich habe allen Grund, es zu sein«, erwiderte Kate, hängte ihre Jacke auf und ließ sich in einen Sessel fallen. »Was gibt es zum Mittagessen?«
»Wie wäre es noch einmal mit dem Pub?«
»Lieber nicht! Mit anderen Worten, du willst, dass ich etwas koche.«
»Eine wunderbare Idee. Danke, Liebes.«
Während Kate nachschaute, was an Gemüse im Haus war und ob die Kühltruhe etwas enthielt, was man ohne viel Mühe in den Backofen schieben konnte, maulte Roz: »Nun spann mich nicht so auf die Folter! Dein selbstgefälliger Gesichtsausdruck geht mir auf die Nerven.«
»Ich dachte, ich warte damit, bis Tim Widdows kommt. Wann erwartest du ihn?«
»Nicht vor vier Uhr. So lange kann ich aber nicht warten.«
»Dir wird nichts anderes übrig bleiben. Ich habe keine Lust, alles zwei Mal durchzukauen.«
Nachdem Kate die Töpfe auf den Herd gestellt hatte, ging sie nach oben und machte sich detaillierte Notizen über ihr Gespräch mit Russell. Wenn sie schon Drei Freunde und die Suche nach der Wahrheit spielten, dann wollte sie ihre Sache auch gut machen.
»Lass uns Frieden schließen«, sagte Roz, als Kate wieder herunterkam. »Ich habe eine Flasche neuseeländischen Sauvignon Blanc geöffnet und dir ein Glas eingeschenkt.«
Kate warf ihr einen misstrauischen Blick zu. »Soll das heißen, du löcherst mich nicht mehr, bis Tim da ist?«
»Ich bin die Geduld in Person!«
»Hm, das glaube ich erst, wenn ich es sehe.«
Tim erschien um fünf Minuten nach vier und brachte eine Zeitung mit. Alle drei gingen völlig selbstverständlich in die Küche, wo sie sich an den Tisch setzten und die Zeitung zwischen sich ausbreiteten.
»Unser Dorfblättchen«, erklärte Tim. »Es kam gerade frisch aus der Presse, und ich dachte mir, ich bringe ein Exemplar mit, um zu sehen, was sie über Donna geschrieben haben.«
»Sieht aus, als hätte da jemand seine Hausaufgaben ordentlich gemacht«, sagte Kate. »Hier steht jedenfalls eine Menge an Hintergrundinformationen drin.«
»Am besten, wir teilen die Seiten unter uns auf«, schlug Roz vor. Sie zerrissen die Zeitung, und jeder bekam eine Seite zu lesen. Nach einigen Minuten stand Kate auf und holte ihren Notizblock, um sich einige Dinge aufzuschreiben. Dabei ertappte sie Roz und Tim bei einem heimlichen Blickwechsel.
»Nein«, sagte sie, »ich sehe es nicht als Therapie für mich an. Ich finde lediglich, dass wir uns dem Problem mit einer gewissen Methodik nähern müssen, wenn wir wirklich herausfinden wollen, was da geschehen ist.«
»Wie um alles in der Welt komme ich zu einer solchen Tochter?« Roz seufzte.
»Keine Ahnung«, sagte Tim. Und damit vertieften sich alle drei schweigend in ihre Lektüre.
»Können wir tauschen?«, fragte Roz nach einiger Zeit. Sie schoben sich gegenseitig die Seiten zu.
Kate warf einen Blick auf ihre Notizen. Donna Paige , hatte sie geschrieben.
1 . Hintergrund:
Alter: 22. Geboren im Dorf Middle Hensford als uneheliche Tochter der damals 28-jährigen Annette Paige. Vater: vermutlich ein landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter aus dem Dorf, der sich weigerte, die schwangere Annette zu heiraten und noch vor Donnas Geburt wegzog. Seine Spur verliert sich; er wurde nie mehr gesehen. Annette Paige schlug sich mit Putzarbeiten durch; mit ihrer Bezahlung und der Sozialhilfe kam sie gerade so zurecht. Donna besuchte die örtliche Schule, wo sie sich zwar als lebhaft, gleichzeitig aber auch völlig desinteressiert an jeder Art von
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