Flucht aus Oxford
Oxford umgebracht. Deshalb bin ich hier. Ich musste einfach weg von alledem.«
»Danke, dass Sie es mir erzählt haben. Ich habe Sie noch nie so lange am Stück reden hören.«
»Verstehen Sie, Tim, ich werde das Gefühl nicht los, dass es immer meine Schuld war. Wäre ich nicht gewesen, würden alle diese Leute vielleicht noch leben.«
»Das ist doch Unfug! Haben Sie sie etwa umgebracht?«
»Natürlich nicht.«
»Sehen Sie! Sie dürfen sich nicht die Schuld für Dinge geben, die Sie nicht getan haben.«
»So ähnlich hat Roz sich auch ausgedrückt.«
»Ihre Mutter ist eine äußerst vernünftige Frau. Sie sollten öfter auf sie hören.«
»Ich habe sie bisher eigentlich nie als besonders vernünftig wahrgenommen. Flatterhaft, das ja. Zerstreut, unorganisiert verantwortungslos. Vielleicht lerne ich ja gerade erst, sie zu verstehen und zu schätzen.«
»Immerhin tun Sie es. Schließlich wissen wir nie, wie viel Zeit uns noch bleibt.«
»Herzlichen Dank für diese aufmunternden Worte.«
»Sie wissen ganz genau, was ich meine. Ich habe meine Eltern zu ihren Lebzeiten nicht zu würdigen gewusst. Und jetzt ist es zu spät.«
»Entschuldigen Sie, Tim. Ich habe den ganzen Abend nur von mir gesprochen. Vielleicht hätte ich Ihnen besser zuhören sollen. Aber ich verspreche Ihnen, dass wir irgendwann noch einmal einen Abend miteinander verbringen, an dem Sie mir von Ihrer Kindheit, Ihren Eltern und der aufregenden Zeit am Leicester College erzählen dürfen.«
»Ein anderes Mal. Ich werde darauf achten, dass es ein nächstes Mal geben wird, und Sie an Ihr Versprechen erinnern.«
»Aber sicher.«
Bald darauf ging Tim. Beim Abschied hauchte er Kate, die an der offenen Tür stand, einen Kuss auf die Wange. Sie sah ihm nach, wie er die Dorfstraße hinauf in Richtung Kirche ging. Im Grunde war er kein schlechter Kerl. Vielleicht genau die Art Mann, die sie in diesem Moment in ihrem Leben brauchte.
Kaum hatte Kate die Tür geschlossen, als Roz in einem Bademantel aus rotem Samt die Treppe herunterkam. Um ihr Haar hatte sie ein rosafarbenes Handtuch geschlungen.
»Gönnst du uns noch einen Whisky?«, fragte sie.
»Ich dachte, du wärst längst im Bett.«
»Falsch gedacht. Ich habe nur gewartet, bis der Pfarrer fort war.«
Kate schenkte ein, wobei sie ihren eigenen Drink sehr knapp bemaß.
»Ich wollte doch schließlich erfahren, wie es bei den Fullers war.«
»Ziemlich langweilig, mit Ausnahme vielleicht von Derek. Er hat mir viel über das Geschäft mit Antiquitäten erzählt. Ich glaube, die geschäftliche Seite ist ihm erheblich wichtiger als die ästhetische.«
»Und Hazel?«
»Sie scheint sich für keinen der beiden Aspekte zu interessieren. Ihr liegt nur das Geld am Herzen, das sie für sich selbst ausgeben kann.«
»Was ist mit dem Sohn? Tony – so heißt er doch, nicht wahr?«
»Er hat sich fast die ganze Zeit mit Tim unterhalten. Soviel ich mitbekommen habe, ging es um ihre gemeinsame Studentenzeit. Ach ja, er hat Tim und mich für nächste Woche zu einem Gästedinner in seinem College eingeladen.«
»Und? Gehst du?«
»Ja.«
»Hey, du scheinst dich ja wirklich zu berappeln. Vor ein paar Tagen hatte ich noch Mühe, dich nur vor die Tür zu bekommen – und jetzt fährst du sogar nach Oxford!«
»Stimmt, es geht mir wirklich besser. Aber mir geht da eine Sache durch den Kopf. Graham. Graham Peters. Er war Donnas Freund, ehe der Rabe ihm den Platz streitig machte.«
»Glaubst du, er hatte ein Motiv, sie zu töten?«
»Ganz genau. Wir haben ihn nicht in Betracht gezogen, weil wir viel zu sehr damit beschäftigt waren, die Identität des Raben herauszubekommen. Aber Graham hat Verbindungen zu Gatts Farm. Vielleicht hat er sogar noch einen Schlüssel zu den Ausstellungsräumen. So etwas vergisst man schließlich leicht, wenn man kündigt.«
»Glaubst du, sie hat sich dort mit ihm getroffen? Und was ist mit dem Heroin?«
»Es ist sicherlich eine seltsame Art, jemanden umzubringen, das ist wahr. Aber vielleicht ist Graham selbst Fixer und hatte die notwendige Ausrüstung bei sich.«
»Ich glaube, wir haben dem guten Graham eine Menge Fragen zu stellen, wenn wir ihn morgen besuchen«, stellte Roz fest.
»Es tut mir zwar leid, es sagen zu müssen, aber ich bin der Meinung, dass unser lieber Tim auch noch nicht ganz aus dem Schneider ist. Was denkst du?«
»Wir können es nicht ganz ausschließen. Mein Bauchgefühl sagt mir allerdings, dass er es nicht war.«
»Ich würde dir nur allzu gern
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