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Flucht über den Himalaya

Flucht über den Himalaya

Titel: Flucht über den Himalaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Blumencron
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Vielleicht hat Ama dann noch Geld für eine Cola oder Schokolade. Und dann fahren sie wieder nach Hause in ihr kleines Dorf zurück.
    Der Wagen biegt von der Hauptstraße ab auf einen Schotterweg. Sie fahren über eine kleine Brücke. Der Fahrer schaltet einen Gang zurück, als das Gelände steiler wird. Sie erreichen das Dorf, in dem der alte Amchi und seine Familie wohnen. Es ist schon spät, sein Haus ist das einzige, in dem noch Licht brennt.
    Noch bevor sie an die Tür klopfen, wird ihnen geöffnet: Little Pemas Mutter blickt in die Augen einer Frau, die seit Tagen viel geweint hat: Es ist Dhondups Mutter. Die Mütter kennen sich nicht, aber sie umarmen einander. In diesem Moment sind sie sich näher als Schwestern.
    Dhondup schaut nicht auf von seinem Kartenspiel.
    »Wir sind spät dran«, mahnt der Fahrer.
    Ich werde ihn heute ausnahmsweise gewinnen lassen, denkt der Vater, obwohl er das sonst nicht tut. Es ist nie gut, seinem Kind etwas vorzumachen.
    Dhamchoe bringt schon mal die Rucksäcke in den Wagen.
    Der Vater legt die Piksieben auf.
    Triumphierend schmeißt Dhondup seine Karten auf den Tisch: Gewonnen! Seine Ama steht bereits hinter ihm, den roten Anorak in den Händen. Kopfschüttelnd wartet der alte Amchi in der Tür. Little Pemas Mutter wirft ihm einen langen Blick des Dankes zu.
    Mit ihrem Taschentuch putzt Dhondups Mutter einen Schmutzfleck von der Backe ihres Kindes, nachdem sie die fünf Knöpfe seines Anoraks zugeknöpft und den Kragen hochgeschlagen hat. Dhamchoe muß ihr versprechen, gut auf seinen kleinen Bruder aufzupassen.
    »Wir müssen vor sechs in Lhasa sein«, mahnt der Fahrer.
    Little Pemas Mutter klettert neben den Fahrer und nimmt ihr Kind auf den Schoß. Dhamchoe steigt dazu, nachdem er seinen Zieheltern noch einmal versprechen mußte, gut auf den Kleinen aufzupassen. Der Großvater umarmt weinend seinen jüngsten Enkel. Der Vater umarmt weinend seinen jüngsten Sohn. Die Mutter umarmt weinend ihr jüngstes Kind.
    Zum letzten Mal.
    » Als ich meinen Eltern auf Wiedersehen sagte, dachte ich, ich würde sie nie mehr wiedersehen. Sie weinten, und das machte mich so traurig. Sie sagten, ich soll gut aufpassen auf dem Weg. Sie sagten, ich soll ein fleißiger Schüler werden. Sie sagten, sie würden mich besuchen. Ich sagte immer nur ja … ja. «
DHONDUP
    »Wir sind Pilger auf dem Weg nach Lhasa«, flüstert Little Pema zu Dhondup, als der Wagen wieder auf der Hauptstraße ist.
    Die spinnt, denkt Dhondup und fängt an zu heulen.

Suja, Nima und Lobsang, der junge Mönch
    » Nachdem mir die Flucht aus dem Bus mit den fünfunddreißig Amdo-Mönchen gelungen war, versteckte ich mich in Lhasa. Ich hatte überhaupt kein Geld mehr und wußte nicht weiter. Achthundert Yuan kostete zu dieser Zeit die Flucht für einen Erwachsenen. Tausenddreihundert Yuan für ein Kind und tausendfünfhundert Yuan für einen alten Menschen. Der Rucksack mit meiner Geldbörse und meinen Papieren war weg. Ich hatte sie im Bus zurücklassen müssen.
    Nach zwei Monaten lernte ich Nima, den Guide, kennen. Er sagte: › Ich breche morgen mit dreizehn Leuten nach Indien auf. Wenn du willst, kannst du mitkommen. Ich habe vier kleine Kinder in der Gruppe. Du bist stark und könntest mir helfen. Dafür brauchst du nichts zu bezahlen. ‹
    Ich war einverstanden. Noch in derselben Nacht sollte ich einen Teil der Flüchtlinge, die in verschiedenen Herbergen untergebracht waren, zusammensammeln. Es war die Nacht, in der ich Lobsang kennenlernte … «
SUJA
    Trotz seiner modernen Jeans und dem blauen Daunenanorak ist nicht zu übersehen, daß dieser zierliche Junge ein Mönch ist. Seine Gesichtszüge sind fein geschnitten wie die Blüte einer Blume, und die schlanken Hände wie geschaffen, die Perlen einer kostbaren Gebetskette durch ihre Finger laufen zu lassen. In seiner dunkelroten Mönchsrobe muß er der hübscheste Mönch seines Klosters gewesen sein.
    »Lobsang?« fragt Suja den Jungen, der an einem der wackeligen Tischchen des kleinen tibetischen Restaurants Platz genommen hat und sich nun unbeholfen aus seiner dicken Jacke schält.
    Das Blut schießt in die Wangen des Jungen, er zögert, schließlich nickt er.
    »Ich werde dich zu Nima bringen.«
    Ein erleichtertes Lächeln huscht über Lobsangs Gesicht, und Suja setzt sich zu ihm.
    »Hast du heute schon etwas Warmes gegessen?«
    Lobsang schüttelt den Kopf.
    »Ich habe Momos bestellt. Oder ißt du kein Fleisch?«
    »Doch, manchmal.«
    »Hätte ja sein können, daß

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