Flüstern in der Nacht
»Nein«, antwortete Joshua. »Sie war nicht schwanger.« »Sind Sie ganz sicher?«
»Nun«, räumte Joshua ein, »ich habe natürlich keine persönlichen Urinproben genommen und damit den Kaninchentest durchgeführt. Ich lebte 1940 noch nicht einmal hier im Tal. Ich bin erst '45 hierhergezogen, nach dem Krieg. Aber Leute, die 1940 hier wohnten, haben mir die Geschichte erzählt, mehrfach, manchmal ausschnittweise und manchmal die ganze Story. Jetzt werden Sie behaupten, diese Leute wiederholten vermutlich einfach nur das, was ihnen selbst erzählt wurde. Aber eine Schwangerschaft könnte sie doch nicht so einfach vor der ganzen Welt verbergen. Nicht in einer so kleinen Stadt wie St. Helena. Jeder hätte es gewußt.« »Es gibt manchmal Frauen, die nicht besonders dick werden, wenn sie ein Kind erwarten«, erklärte Hilary. »Man würde ihnen äußerlich gar nichts anmerken.«
»Sie vergessen, daß Katherine sich überhaupt nicht für Männer interessierte«, meinte Joshua. »Sie ging mit niemandem aus. Wie hätte sie da schwanger werden können?« »Vielleicht ging sie nicht mit den Männern am Ort aus«, ergänzte Tony. »Gibt es denn in der Erntezeit, im Herbst, auf den Weingütern nicht eine Menge Wanderarbeiter? Und befinden sich darunter nicht eine ganze Anzahl junger, gutaussehender Männer?«
»Jetzt mal langsam«, entgegnete Joshua. »Sie reden sich da etwas ein. Sie versuchen mir weiszumachen, Katherine, deren Desinteresse an Männern jeder kannte, hätte sich plötzlich mit einem einfachen Wanderarbeiter eingelassen.« »So etwas soll schließlich schon vorgekommen sein.« »Und außerdem versuchen Sie mir weiszumachen, daß diese höchst unwahrscheinliche Affäre praktisch in einem Glassturz stattfand, daß sie unentdeckt blieb und nicht einmal zu Klatsch Anlaß gab. Und dann versuchen Sie mir auch noch einzureden, Katherine sei auch noch in einer Beziehung außergewöhnlich gewesen, eine von tausend Frauen, die nicht wie schwanger aussah, obwohl sie es war. Nein«, Joshua schüttelte energisch seine weiße Mähne, »das ist mir einfach zuviel. Zu viele Zufälle. Sie sagen, Katherines Geschichte klinge zu glatt, zu konstruiert, aber im Vergleich zu Ihren Vermutungen klingt sie verdammt echt.«
»Sie haben recht«, meinte Hilary. »Also wieder eine vielversprechende Theorie dahin.« Sie leerte ihr Glas. Tony kratzte sich am Kinn und seufzte. »Yeah. Wahrscheinlich bin ich einfach zu müde, um besonders kluge Ideen zu gebären. Trotzdem paßt mir Katherines Geschichte nicht. Dahinter steckt mehr. Irgend etwas hielt sie vor der Welt versteckt, irgend etwas Seltsames.«
Bruno Frye stand in Sallys Küche inmitten der Scherben ihres Geschirrs. Er schlug das Telefonbuch auf und suchte die Nummer von Topelis & Associates heraus. Das Büro der Agentur befand sich in Beverly Hills. Er wählte und geriet erwartungsgemäß an den Auftragsdienst.
»Ich habe hier eine dringende Angelegenheit«, erzählte er der jungen Frau am anderen Ende der Leitung, »und ich dachte, Sie würden mir vielleicht helfen.« »Dringende Sache?« fragte sie.
»Ja. Wissen Sie, meine Schwester wird von Mr. Topelis vertreten. Es hat einen Todesfall in der Familie gegeben, und ich muß sofort mit ihr Verbindung aufnehmen.« »Oh, das tut mir leid«, erklärte sie.
»Es sieht nun so aus, daß meine Schwester allem Anschein nach eine kurze Urlaubsreise angetreten hat, und ich weiß nicht, wohin.« »Ich verstehe.«
»Es ist außerordentlich wichtig; ich muß sie erreichen.« »Nun, normalerweise würde ich diese Nachricht sofort an Mr. Topelis weiterleiten. Aber er ist heute abend ausgegangen und hat mir keine Nummer hinterlassen, unter der ich ihn erreichen kann.«
»Ich würde ihn ohnehin nicht belästigen wollen«, meinte Bruno. »Ich dachte, nachdem Sie ja alle Anrufe für ihn entgegennehmen, wüßten Sie vielleicht, wo meine Schwester sich aufhält. Ich meine, sie hat vielleicht angerufen und etwas für Mr. Topelis hinterlassen, etwas, das vielleicht darauf hindeutet, wo sie sich befindet.« »Wie heißt denn Ihre Schwester?« »Hilary Thomas.« »Oh, ja! Ich weiß, wo sie ist.« »Das ist ja wunderbar. Wo?«
»Ich habe keinen Anruf von ihr entgegengenommen. Aber jemand hat vor kurzem angerufen und eine Nachricht für Mr. Topelis hinterlassen, die er an sie weitergeben soll. Warten Sie bitte einen Augenblick, ja?« »Gerne.«
»Ich habe es irgendwo aufgeschrieben.« Bruno wartete geduldig, während sie in ihren Zetteln
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