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Flugasche

Flugasche

Titel: Flugasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Maron
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der Hodriwitzka die Entscheidung über das Kraftwerk abgewartet hatte, und Thals träumerische Sehnsucht nach einem Leben ohne seine zänkische Frau deprimierten sie und verbreiteten eine lähmende Hoffnungslosigkeit.
    »Warn baden im Schwimmbad, was?« fragte der Rothaarige verächtlich.
    Josefa zog ihr Manuskript aus der Tasche und gab es dem Rothaarigen. Er griff mit demonstrativer Gleichgültigkeit nach dem Papierbündel, wiegte nach einer Weile grinsend den Kopf: »Sieh einer an, ins Kraftwerk hat se sich getraut. Da war ich mal. Ist aber schon ’ne Weile her.«
    Kraftwerk, rothaarig, Sommersprossen, Hodriwitzkas Anarchist, dachte Josefa. »Waren Sie Vertrauensmann im Kraftwerk?« fragte sie.
    Der Rothaarige sah mißtrauisch auf und zog an seiner Zigarette wie Belmondo, wenn er nachdenkt. »Woher wissensen das?«
    Thal stand auf. »Ich hol mal drei Kaffee«, sagte er und sah den rothaarigen Herrmann dabei fragend an. Herrmann widersprach nicht.
    »Vom BGLer, was?«
    »Von Hodriwitzka«, sagte Josefa, gespannt auf die Reaktion, die der Name Hodriwitzka bei dem Rothaarigen hervorrufen würde.
    Der Rothaarige stieß mit einem kurzen traurigen Laut die Luft durch die Nase. »’n feiner Mensch war das, bißchen zu gutmütig, zu schwach, aber nie hintenrum. Wir warn wie ein Gespann, Junge. Er Meister, ich Vertrauensmann. Wir haben angeschafft für die Leute. Wenn wir zusammen zum BGLer kamen, hat der nur noch die Augen verdreht. Denn wußte der, irgendwas war fällig. Na ja, vorbei.«
    Herrmann seufzte und wischte ein paar Tabakkrümel vom Tisch. Sie schwiegen. Plötzlich musterte der Rothaarige Josefa mit einem aufsteigenden Verdacht in den Augen. »Warn Sie vor vier Wochen schon mal hier?« fragte er.
    »Als Hodriwitzka noch lebte«, sagte Josefa.
    Der Rothaarige mußte diese Antwort erwartet haben, er nickte zufrieden. »Dann haben Sie dem Hodriwitzka das Ding mit dem Brief an den Minister eingeflötet, was?«
    Die herablassende Grobschlächtigkeit des Rothaarigen weckte Josefas Widerwillen. Sein häßliches, von grauen Narben verunstaltetes Gesicht erfüllte sie eher mit Ekel als mit Mitleid wie vorhin noch, als er vor ihr nach dem Essen angestanden hatte. Sie sah sich nach Thal um, er war der dritte in der Kaffeeschlange.
    Hodriwitzka hatte also nicht vergessen. »Wollte er den Brief schreiben?« fragte Josefa.
    »Sind Sie auch noch stolz drauf, was? Wie ’n kleiner Idiot ist der rumgelaufen, der zum ersten Mal an seine Braut schreibt. ›Mensch‹, hab ich zu ihm gesagt, ›bist du bekloppt. Den Minister darfste dir dann in der Zeitung angucken, und hier haste die Typen von der Sicherheit aufm Hals.‹ Vor Jahren haben wir mal Unterschriften gesammelt, weil uns die Jahresendprämie gekürzt werden sollte. ’n halbes Jahr lang hatten wir ’ne Havarie nach der anderen, weil die Anlage auf ’n Schrott gehörte und keine neue angeschafft wurde. Der Plan wurde nicht erfüllt, und wir sollten die Differenz bezahlen. Achtzig Leute haben unterschrieben, hundert Prozent. Die Prämie haben wir gekriegt, aber fragense nicht, wie viele nachher durch den Betrieb gelaufen sind, um nach sonstwas zu suchen. Und dann ein Brief an den Minister, Junge, entweder Sie sind naiver, als die Polizei erlaubt, oder … na ja, lassen wir das …«
    Thal stellte ein hellgrünes Plastiktablett mit drei Kaffeetassen auf den Tisch. »So ein hübsches Mädchen, Herrmann, und du streitest dich nur«, sagte er.
    Herrmann lächelte. »Was andres macht die doch sowieso nicht mit mir. Oder haben Sie ’ne Vorliebe für Rothaarige?«
    Herrmann hatte Grübchen, wenn er lachte. Ganz so brutal sah er doch nicht aus, fand Josefa und bemühte sich um ein Lächeln für den Rothaarigen. »Nein«, sagte sie.
    »Na siehste«, sagte der Rothaarige zu Thal, der ein Stück Würfelzucker in den Kaffee hielt und abwartete, bis es sich vollgesogen hatte. »Nischt is. ’n rothaarigen Doktor oder Schauspieler würdese sich noch gefall’n lassen. Aber ’n rothaariger Arbeiter, das is zu dicke. Hatt’n Sie schon mal ’n Arbeiter?« fragte er spöttisch.
    Josefa sah sich um, ob jemand außer ihr und Thal die Frage des Rothaarigen verstanden hatte.
    »Du gehst zu weit, Herrmann«, sagte Thal leise.
    Der Rothaarige lachte rauh. »War ja nur mal ’ne Frage. Er hätte ja nicht gleich rothaarig sein müssen. Aber is schon klar, die Dame is ’ne Dame, und vor ’ner Dame sagt man so was nicht.« Er drückte seine Zigarette auf der Untertasse aus, die als

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