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Flugasche

Flugasche

Titel: Flugasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Maron
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Aufzug in den weißen Gang der sechzehnten Etage gefahren war, wo Siegfried Strutzer stand in einem neuen roséfarbenen Hemd, das es mit passender dunkelroter Krawatte im Exquisitgeschäft zu kaufen gab. Außer Guten Morgen sagte er nichts, aber es genügte, um seinen Platz in Josefas Leben zu behaupten. Er roch nach einem ekelhaften Rasierwasser, vielleicht war es auch ein gutes Rasierwasser, was Josefa einerlei war, sobald Strutzer danach roch. Josefa erinnerte sich, daß sie, als sie an diesem Morgen die Zeitung aufschlug, Strutzers Rasierwasser noch in der Nase, eine maßlose Wut auf die Männer bekam, nicht auf einen bestimmten Mann, nicht einmal auf Strutzer, als Frau wäre er ihr nicht lieber gewesen, und Frauen von seiner Art gab es genug. »Gruß unseren Frauen und Mädchen« leuchtete es fett und rot von der Seite eins. Darum also hatte Strutzers Mund gelächelt. Ein Tag im Jahr gehörte den Frauen, Strutzer war korrekt. Auf dem Bild, das ein Drittel der Seite einnahm, waren neun Männer zu sehen. Sie standen in einer Reihe und blickten lächelnd auf eine Frau, über deren runden Hintern sich ein zu enger schwarzer Rock spannte. Einer der Männer drückte der Frau die Hand, nachdem er ihr vorher offensichtlich einen Orden verliehen hatte, denn auf der weißen Bluse der Frau war über der linken Brust ein glitzerndes Abzeichen zu sehen. Die Beine der Frau waren in den Knien angewinkelt, als hätten sie sich gerade zu einem Knicks gebeugt. Die Frau sah glücklich aus, und die Männer, die einander ähnelten wie Wassertropfen, schienen mit sich zufrieden zu sein.
    Josefa wünschte sich, einmal zu denen zu gehören, denen an diesem Tag ein Orden an die linke Brust geheftet wurde. Dann könnte sie ihnen die Worte des Dankes sagen, an denen sie seit langem formulierte, eine Rede würde sie ihnen halten über das Glück, eine Frau zu sein.
    Josefa rollte sich auf die linke Seite, damit das Licht, das durch das Fenster schien, sie nicht beim Träumen störte, verkroch sich unter der Decke vor dem Straßenlärm und dem Gedröhn des Staubsaugers, den die Rickertsche wie jeden Tag pünktlich um elf durch ihre Wohnung hetzte, und schloß die Augen. In einem langen weißen Gewand, das in dichten Falten von den Schultern fiel und das in der Taille durch ein Hanfseil zusammengehalten wurde, schritt Josefa von ihrem Sitz in der ersten Reihe, in der Platz genommen hatte, wer ausgezeichnet werden sollte, über eine kleine Treppe auf die Bühne, sah langsam über die Köpfe im Saal hinweg, schritt weiter zum Rednerpult, und als sie dahinter stand, schob sie das Pult neben sich. Ihr Haar war kurz geschnitten. Josefa beobachtete zufrieden, wie die kurzhaarige Josefa zu reden begann vor den versammelten Frauen, die geehrt werden sollten, und vor den anwesenden Männern, die die Ehrung beschlossen hatten.
    »Frauen und Männer«, sagte Josefa mit einer weichen Stimme, die Josefa nicht an sich kannte. »Frauen und Männer«, wiederholte sie lauter, »wir haben uns zusammengefunden; wir, Frauen, um uns ehren zu lassen; ihr, Männer, um uns zu ehren. Es ist die Zeit gekommen, Frauen, da wir den Männern danken müssen für die Ehre, die sie uns zuteil werden lassen. Denn immer noch gibt es einige unter uns, die die gewaltigen Veränderungen, die Männer an uns vollzogen haben, nicht zu würdigen wissen. Ich hörte eine Frau, die klagte über den geringeren Lohn, den sie bekommt im Vergleich zu den Männern ihrer Familie. Aber die Männer waren stark, sie konnten Möbel tragen und Lastwagen steuern. Jedem nach seiner Leistung, Frauen; die Frau war zart, das Kleinod ihres Mannes, wie gemacht für die zarten Drähte, die sie lötete in einem staubfreien Raum. Woher nimmt die Frau das Recht, über den Preis der Kraft zu streiten, wenn Kraft doch die Sache von Männern ist?
    Oder die andere, die, kaum fiebert ihr Kind, nicht an die Arbeit denkt, nur an das Kind, obwohl die Männer der Gewerkschaft ein Krankenzimmer eingerichtet haben, in dem das Kind in Ruhe fiebern könnte, die Frau zugleich aber den Kran bedienen, der sonst stillsteht. Statt dessen redet sie von Mutterliebe, sogar von Sehnsucht nach dem kranken Kind, das, sagt die Frau, länger zur Genesung brauche, sähe es die Mutter nicht. Die gleiche Frau aber, so unglaublich es klingt, beschwert sich lautstark, daß sie keinen Pfennig kriegte für ihre Pflegearbeit. Befreit vom Zwang der animalischen Instinkte, beharrt die Frau, blind für den Fortschritt ihres eigenen

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