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Flugasche

Flugasche

Titel: Flugasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Maron
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sagte Rudi, »von Erna. Erna stellt mir immer Blumen hin, wenn ich krank war.«
    Rudi ging zur Tür, und Josefa stand auf. Rudi sagte: »Beim nächsten Mal …« und klopfte Josefa sacht auf die Schulter. Josefa nickte. Auf dem Weg zurück in den Großraum trank sie noch ein Glas Wasser gegen die trockene Bitterkeit in ihrem Mund, die sich nicht gegeben hatte. Sie hätte erleichtert sein müssen und hatte Mühe, nicht zu weinen.
    Josefa konnte zu dieser Zeit nicht wissen, daß einige Minuten, nachdem sie Rudis Zimmer verlassen hatte, Siegfried Strutzer einen Anruf bekam, der sie betraf. Eine Dame meldete sich als das Büro für Bürgerbeschwerden beim Höchsten Rat. »Ich verbinde mit dem Leiter des Büros für Bürgerbeschwerden beim Höchsten Rat«, hörte Strutzer und fluchte still auf Rudi Goldammer, der gewiß wieder einmal nicht an seinem Platze war und ihm das Amt des Sündenbocks aufhalste. Irgendein Skriptomane beschwerte sich über die Illustrierte Woche beim Höchsten Rat, und wer mußte den Ärger ausbaden – natürlich er, Strutzer. Strutzers Fluchgedanken wurden unterbrochen von einer männlichen Stimme, deren Inhaber sich vergewisserte, ob er mit dem Genossen Strutzer, Parteisekretär der Illustrierten Woche, verbunden sei. »Ja, gut, hier spricht der Leiter des Büros für Bürgerbeschwerden beim Höchsten Rat«, sagte die Stimme, »Genosse Strutzer, wir haben hier einen Vorgang zu bearbeiten, der auch euch betrifft.«
    Na bitte, dachte Strutzer und haderte mit seinem Dasein als Stellvertreter, das ihm mehr Unannehmlichkeiten einbrachte als Anerkennung. Vorhin erst hatte er im Posteingangskasten, den er jeden Morgen durchblätterte, während Erna für Rudi Tee brühte, ein breites, elegantes Briefkuvert gefunden, das nach Strutzers Erfahrung eine Einladung, und zwar von höherer Stelle, enthalten mußte. Am widerlichsten fand Strutzer aber Goldammers Verlogenheit, der angesichts solcher Einladungen stöhnte und vorgab, derartige Veranstaltungen zu verabscheuen, zumal er weder Speisen noch Getränke genießen könne wegen des kranken Magens. Noch nie aber war ihm eingefallen, dachte Strutzer bitter, eine Einladung an ihn weiterzureichen.
    »Wir wenden uns an dich, Genosse Strutzer«, sagte die Stimme an Strutzers Ohr, »und nicht an den staatlichen Leiter, den Genossen Goldammer, weil wir der Meinung sind, daß die Parteigruppe der Genossin Nadler informiert werden muß, und wir meinen weiterhin, daß die Parteigruppe sich dringend mit den Ansichten der Genossin Nadler zu einigen Fragen auseinandersetzen muß.«
    In Strutzer wurde es still. Gebannt hörte er der Stimme zu, die etwas anderes von ihm wollte, als er erwartet hatte. Man meinte ihn, Strutzer. Der Genosse am anderen Ende nahm nicht mit ihm vorlieb, weil er Goldammer nicht erreicht hatte, sondern er hatte ihn von vornherein sprechen wollen.
    Die Unterlagen würde man in den nächsten Tagen zustellen, hörte Strutzer, auch den fraglichen Brief der Genossin Nadler, man habe Strutzer nur vorinformieren wollen, damit er wüßte, warum man sich an ihn wende in dieser Angelegenheit. Das Büro hätte heute an die Beschwerdeführerin eine Bestätigung des Eingangs ihres Briefes abgeschickt. Man werde ihr auch, wie das Gesetz es vorschreibe, eine ausführliche Antwort auf ihre Fragen zusenden. Nur glaube man, die verworrenen Vorstellungen im Kopf der Genossin bedürften gründlicherer Auseinandersetzungen, als das Büro sich leisten könnte.
    Strutzer wand sich mit einem »Tja«, das er ernsthaft und sorgenvoll dehnte, zwischen die Sätze des anderen. Ihm erschiene das Verhalten der Genossin Nadler schon seit geraumer Zeit problematisch, und es verwundere ihn nicht, daß es sich nun so zugespitzt habe. Strutzer bedankte sich für den vertrauensvollen Hinweis des Genossen. Die Parteigruppe würde bedenken, wie man der Genossin helfen könne, versprach er.
    Er legte den Hörer behutsam auf die Gabel, zog aus dem obersten Fach seines Schreibtischs einen glatten weißen Bogen, strich sorgfältig mit der flachen Hand über ihn, obwohl kein Fältchen in ihm war, und schrieb in die rechte obere Ecke des Bogens das Datum, in die linke obere Ecke schrieb Strutzer: Betr.: J.Nadler, telefon. Info. d. Ltr. d. BfBb b. HR. Heitere Genugtuung erfüllte ihn. Er würde mit niemandem darüber sprechen, bevor er den Brief in der Hand hielt und gründlich jeden Schritt berechnet hatte. Er wollte keinen Fehler machen. Das war sein Fall, und weder Goldammer noch Luise

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