FOOD CRASH
eine ganze Reihe von zunächst nachvollziehbaren Aussagen machte: Es müsse in die Ausbildung der Landwirte und in Infrastruktur investiert werden, eine gute Regierungsführung sei der Schlüssel für eine erfolgreiche landwirtschaftliche Entwicklung, und dergleichen mehr. Der Zündstoff jedoch war quer über den Text verstreut. Zusammengefasst und so in die breite Diskussion gebracht, lasen sich die Aussagen folgendermaßen: Viele Hilfswerke, so auch Misereor, seien am Hunger und Elend dieser Länder mitschuldig, weil sie aus ideologischen Gründen auf eine kleinbäuerliche Landwirtschaft setzten. Das sei zynisch, weil sie sich der Einsicht verweigerten, dass in Afrika, ebenso wie in Europa, eine industrialisierte, mit modernen Maschinen und Betriebsmitteln arbeitende Landwirtschaft zur Steigerung der Produktivität und somit zu ausreichender Ernährung und Wohlstand führt.
Das ist starker Tobak! Zunächst: Es stimmt, dass Misereor und all die anderen Hilfswerke nicht auf eine industrielle Landwirtschaft setzen, wie sie dem Münsterländer Abgeordneten vorschwebt. Sie stellen die Entwicklung der Kleinbauern in den Vordergrund – wenn auch nicht mit Holzpflug, Ochs und Esel, wie der Abgeordnete polemisch behauptete. Haben diese Hilfswerke Gründe dafür? Oder betreiben sie mit ihrer Propagierung vormoderner Agrarmythen die Sabotage einer effizienten Welternährungspolitik? Kommen sie als Helfer – und sind in Wahrheit das Problem? Dieser Diskussion müssen wir uns auch in diesem Buch stellen. Denn nicht nur Herr Röring, selbst Landwirt, gewerblicher Schweinemäster und Inhaber einer Firma der Energie- und Düngemittelerzeugung, vertritt diese Ansicht, sondern auch die gesamte Agrarindustrie – von BASF bis Syngenta.
Dieses Kapitel wird deshalb die Frage behandeln, welches Potenzial die konventionelle Landwirtschaft hat. Und wo ihre Möglichkeiten enden.
Unter »konventionell« soll dabei der Landbau verstanden werden, der in den Industrienationen von der weit überwiegenden Mehrzahl der Bauern praktiziert wird. Eine Form von Landwirtschaft, die alle technischen Möglichkeiten nutzt, wie sie von der Landtechnik, der Agrarchemie und der Gentechnik geboten werden. Sie ist kapitalintensiv und arbeitsextensiv. Kapitalintensiv ist sie, weil die wesentlichen Betriebsmittel von außen in den Betrieb zugekauft werden müssen: Saatgut, Düngemittel, Pestizide, Futter. Und arbeitsextensiv, weil der technische Fortschritt durchweg auf eine höhere Produktion pro Hektar und pro Arbeitsstunde wirkt.
Ein anderes Landwirtschaftsmodell ist der
Ökologische
Landbau.
Dieser Begriff ist synonym mit
Biologischer Landbau
und wird im Englischen mit
organic agriculture
übersetzt.
Ich habe, während ich an diesem Kapitel gearbeitet habe, eine Schrift in die Hand bekommen, die mich ebenso verblüfft wie fasziniert hat. Sie heißt: »Grenzen und Engpässe moderner Agrarverfahren – Ökologische Alternativen«. Sie hat mich deshalb fasziniert, weil sie, obwohl vor 36 Jahren veröffentlicht, all die Probleme, vor die uns die konventionelle Landwirtschaft heute stellt, sowie die Lösungspotenziale des Ökologischen Landbaus schon klar benennt – bis hin zu den in diesem Buch behandelten Fragen der weltweiten Ernährungssicherung. Und sie hat mich verblüfft, weil der Verfasser niemand Geringerer ist als der damals 30-jährige Andreas-J. Büchting, Gesellschafter und lange Jahre Vorstandsvorsitzender der KWS AG – der Kleinwanzlebener Saatzucht. Die befindet sich weltweit unter den zehn größten Saatgutunternehmen. Sie befasst sich zwar ernsthaft mit der Züchtung von Sorten für den Ökologischen Landbau, ist aber gleichzeitig intensiv im Gentechnikgeschäft zu Hause. Wie anders stünden wir da, wenn diese frühen Einsichten zu den auch in dieser Schrift geforderten Umorientierungen in Agrarpolitik und wirtschaftlicher Entwicklung geführt hätten! Die Beschreibung des Systems Ökolandbau, die dort geliefert wird, ist es wert, wiedergegeben zu werden:
Im Vordergrund der biologischen Verfahren stehen:
Aufbau und Pflege des Bodenlebens und Entwicklung der Lebensgemeinschaft am Standort durch eine überwiegend organische Düngung
Weitgehender Verzicht auf Mineraldünger, vor allem auf synthetische, wasserlösliche und treibend wirkende Stickstoffdünger
Dadurch Schaffung der Grundlagen für eine hohe Widerstandsfähigkeit der Kulturpflanzen gegen Schädlinge und Krankheiten
Weitgehender Verzicht auf chemische
Weitere Kostenlose Bücher