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FOOD CRASH

FOOD CRASH

Titel: FOOD CRASH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix zu Löwenstein
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Fenchelanbauen verstanden, wie unglaublich arrogant und ignorant diese Großzügigkeit war. Denn nicht ich tat den Imkern etwas Gutes, sondern sie mir! Das intensive Gebrumme in meinem Feld, das von vielen Insekten herrührte, aber vor allem eben von jenen Bienen, war doch die Ursache, warum ich überhaupt etwas ernten konnte! In diesem Januar nun rief mich einer der Imker, ein geschätzter Nachbar und Freund, völlig niedergeschlagen und verzweifelt an: Seine Bienenvölker waren den Winter über verlorengegangen. Buchstäblich verloren, denn die Bienen waren ausgeflogen und nicht zurückgekehrt. Sein Verlust betrug ca. 80 % der Bienen, die er im Vorjahr noch gehabt hatte.
    Damit steht er in keiner Weise allein. Weltweit bietet sich den Imkern das gleiche Bild. In den USA ist der Bestand von vier der in diesem Land weitverbreiteten Arten von Bienen in den letzten Jahrzehnten um rund 96 % zurückgegangen. Die Zahlen für Großbritannien sind ähnlich alarmierend. Einige Bienenarten sind mittlerweile komplett ausgestorben, andere Arten wurden seit den 70er Jahren um bis zu 70 % reduziert. Über die Gründe hierfür ist ein intensiver Streit entbrannt. Die Imkerverbände machen vor allem Insektizide – insbesondere aus der Gruppe der vornehmlich von der Bayer AG hergestellten Neonicotinoide – verantwortlich. Die Pflanzenschutzindustrie weist die Vorwürfe vehement zurück.
    Im Dezember 2010 wurde eine erstaunliche Nachricht verbreitet: Die
British Beekeepers Association
(Englische Bienenhalter-Vereinigung) kündigte an, künftig keine Pestizide mehr gegen Geldzahlung von Chemieunternehmen zu unterstützen. Offenbar war das die bis dahin übliche Praxis gewesen! Kurz darauf wurde das »Deutsche Bienenmonitoring« veröffentlicht, das Licht in die Ursachen des Bienensterbens bringen sollte. Mit beteiligt war die Chemieindustrie ( BASF , Bayer CropScience AG , Bayer HealthCare AG und Syngenta), ohne deren finanziellen Beitrag – so steht es in einem Zwischenbericht – das Projekt nicht hätte durchgeführt werden können. »Freispruch für Pestizide« war deren zufriedenes Fazit, nachdem der Endbericht der Studie die alles andere überragende Rolle der Varroa-Milbe und anderer Infektionskrankheiten für das Bienensterben betont hatte. Worüber sich alle Fachleute einig sind, ist, dass das Bienensterben ein multifaktorielles Geschehen ist, also auf das Zusammenspiel mehrerer Einflussfaktoren zurückgeht. Dazu zählen Parasiten (vor allem die Varroa-Milbe), Infektionserreger, Umweltstress, lange Transporte, einseitige Ernährung infolge von Monokulturen, Mangel an pollen- und nektarliefernden Trachten, gentechnisch veränderte Pflanzen, elektromagnetische Strahlung, der Einsatz von antimikrobiellen und akariziden Arzneimitteln (Pestizide oder Biozide zur Bekämpfung von Milben und Zecken) gegen Bienenkrankheiten und vieles mehr. Dass dazu der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft
nicht
gehören soll, wird von den Imkerverbänden und von etlichen anderen wissenschaftlichen Studien bestritten. [61] Sie sehen sogar die Hauptursache im Einsatz dieser für das konventionelle Landbausystem so unabdingbaren chemischen Substanzen.
    Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Bienensterbens sind gewaltig. Der jährliche Wert ihrer Bestäubungsleistung wird weltweit auf 224 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die FAO gibt an, dass von den mehr als 100 Feldfruchtarten, die zu 90 % die Lebensgrundlage der Menschen in 146 Staaten bilden, 71 % von Bienen bestäubt werden. Im September 2010 veröffentlichte die
British Ecological Society
eine Studie, nach der die Existenz der indischen Gemüsebauern – und die stehen weltweit an Platz zwei hinter China, was den Produktionswert betrifft – durch den Rückgang an Bestäuberinsekten bedroht sei. Ähnlich wie den indischen Kleinbauern geht es den Farmern in Kalifornien, die in ihren riesigen Obstplantagen ebenfalls auf die Bienen angewiesen sind. Dort gibt es Imker-Unternehmer, deren Einkommen nicht aus dem Verkauf von Honig, sondern aus den Zahlungen der Farmer besteht. Die entlohnen sie dafür, dass sie mit ihren auf Lastwagen aufgestapelten Bienenstöcken in der Blütezeit neben den Plantagen Aufstellung nehmen.
    Bienen sind nur das augenscheinlichste und am leichtesten nachvollziehbare Beispiel dafür, dass Biodiversität nicht das Anliegen dickbrilliger Botaniker und verschrobener Insektenforscher ist, sondern die Voraussetzung unserer (land)wirtschaftlichen Existenz und

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