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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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diesbezüglich nie zur Geheimhaltung verpflichtet. Es ist bloß... ich bin mir nicht sicher, ob du das überhaupt verstehen kannst. Gewalt. Das ist meine erste Reaktion, wenn ich wütend oder durcheinander bin oder Angst habe, nackte Gewalt, und ich bin gut darin, Jinsei, nur habe ich keine Kontrolle darüber. Die einzige andere Reaktion, die ich kenne, ist wegzulaufen, und das tu ich nicht oft genug, und wenn, dann grundsätzlich im falschen Moment.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Jinsei. »Vielleicht hast du deswegen Schuldgefühle, aber ich bin immer noch froh darüber, daß damals, in dieser Nacht vor der Straight, jemand noch Gewalttätigeres als diese Korpsbrüder da war und daß er auf meiner Seite stand. Und dann am Morgen in der Risley, nach der Halloweenparty: Ganz gleich, was da in dir vorging - wenn’s dir unmöglich war, zu bleiben und mit uns darüber zu reden, so war es ganz bestimmt besser, wegzulaufen, als Prediger k. o. zu schlagen. Ich finde, du hast in beiden Fällen dein Bestes getan.«
    »Aber aus den falschen Motiven!« beharrte Ragnarök. »Als ich in dieser Nacht Jack Baron das Fürchten gelehrt habe, war ich nicht der edle Ritter, der dem bedrängten Fräulein zu Hilfe eilt. Das war schlichte Klankunst, angewandter Terrorismus. Fehlte nur noch die Kapuze. Du weißt, wer mein Lehrmeister in dieser Kunst war, mein Vater, und du kannst Gift darauf nehmen, daß er nicht gerade das Wohl der Asiatisch-Amerikanischen Gemeinde im Sinn hatte, als er mich drillte.«
    »Vergiß doch, was er im Sinn hatte, Rag, es geht hier um dich! Du warst ein kleiner Junge, du hingst an deinem Vater: Da mußtest du doch einfach an das glauben, was er dir beibrachte - wenigstens anfangs. Ich finde es immer noch erstaunlich, daß du es überhaupt geschafft hast, davon wegzukommen, von all dem -«
    »Ich bin aber nicht weit genug davon weggekommen! Nicht weit genug und nicht früh genug. Du hast recht, ich hing an meinem Vater, ich war weiß Gott Drew Hyatts Sohn. Ich haßte die Dunklen, wie er es mir beigebracht hatte - so sollte ich sie nämlich nennen, Dunkle, niemals Nigger -, und als mir klar wurde, daß nicht sie meine Feinde waren, blieb immer noch eine schöne Menge Haß in mir übrig. Das ist mein Erbteil, Gewalttätigkeit und Haß, und ich werde es niemals loswerden. Begreifst du das nicht?«
    »Aber...«, warf Jinsei ein.
    »Aber was?«
    »Nur eine Frage.«
    »Was?«
    »Hast du ihn umgebracht?« fragte Jinsei. »Prediger wußte, daß ihr, du und dein Vater, am Ende einen ganz schlimmen Streit hattet, direkt bevor du nach Norden gegangen bist, so schlimm, daß Prediger es vorzog, nichts Näheres darüber zu wissen. Hast du ihn umgebracht, Ragnarök? War es das?«
    Er sah sie an, als fragte er sich, wo sie die Frechheit oder den Mut hernahm, ihm eine derartige Frage zu stellen... und lachte dann beinahe wieder.
    »Ihn umgebracht"? Hm. Nein. Nein, ich habe ihn nicht umgebracht.« Der Bohemier wandte sich ab, starrte wieder auf die fernen Lichter der Stadt. »Der Hurensohn. Aber ich hätte es gern getan. Es gab nichts, was ich lieber getan hätte als das.«
     
    II
     
    Die LKW-Fahrerin hieß Galatea Handel, und ihr Sattelzug war - wenngleich nicht für Viehtransporte eingerichtet - mit einer Herde Schweine beladen, die eigentlich schon vor knapp zehn Stunden eine Verabredung mit einem Schlachter in Cortland County hätte wahrnehmen sollen. Probleme mit dem Motor und der Straßenkarte hatten die ungebührliche Verspätung verursacht, und um diese Uhrzeit würde vermutlich niemand mehr da sein, um die Ware in Empfang zu nehmen, aber Galatea wollte verdammt sein, wenn sie die Tiere auch nur einen Augenblick länger als unbedingt nötig in ihrer Obhut behielt. Der Sattelzug stank mittlerweile zum Himmel, und der Chor von Schweinestimmen wurde von Kilometer zu Kilometer unerträglicher.
    Sie erreichte Ithaca von Süden her, über die Route 13, bog irrtümlich in die Seneca Street ein, und die folgende Viertelstunde ziellosen Herumfahrens durch die Innenstadt trug zu keiner entscheidenden Besserung ihrer Laune bei. Einige Wendemanöver und falsche Richtungswechsel später fand sie sich am Fuß des Hügels wieder, und da sie meinte, höher sei besser, begann sie, die University Avenue hinaufzufahren.
    Der Knochenacker war gerade rechts am Hang über ihr aufgetaucht, als der Motor seinen Geist aufgab. Anders als ein paar Stunden zuvor, ging es diesmal still und leise vonstatten, ohne Lärm und Rauch: er blieb einfach

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