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Forgotten

Forgotten

Titel: Forgotten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Patrick
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Zimmers hin und her. Als sie fertig sind, zieht sich die lange Schlange der »Plüschis« vom Kamin bis zur Wohnzimmertür. Sie beratschlagen sich fünf Sekunden lang intensiv, dann teilen sie das Wohnzimmer in zwei Gebiete auf: Der linke Teil inklusive der Couch, auf der wir sitzen, ist für die »Großen«, der rechte ausschließlich den »Prinzessinnen« vorbehalten.
    Als Luke von der Couch springt und unerlaubt die Prinzessinnenzone betritt, hat das sofort wildes Geschrei und Gelächter zur Folge. Die Ausgelassenheit ist ansteckend, also werfe ich mich kurzerhand ins Getümmel und schnappe mir Ella oder Madelyn, keine Ahnung, und kitzle sie und lache und rolle mich mit ihr auf dem Boden.
    Irgendwann kommt Lukes Vater nach Hause. Er trägt ­einen riesigen Pappkarton vor sich her und begrüßt uns alle mit einem herzlichen Hallo. Mr Henry ist ein ziemlich gutaussehender Mann – für sein Alter –, und ich kann Luke in ihm wiedererkennen. Für einen kurzen Augenblick lasse ich meine Gedanken von der Leine: Ob Luke später mal dieselben graumelierten Haare und dasselbe leicht wettergegerbte Gesicht haben wird?
    In der Zwischenzeit sind die zwei Mädchen mit der Unterstützung ihres Vaters dem Karton zu Leibe gerückt, und ich verspüre – bestimmt nicht zum ersten Mal – einen Anflug von Neid. Ich setze mich aufs Sofa und beobachte die Szene, die für Kinder, deren Väter sich nicht aus ihrem Leben verabschiedet haben, sicher eine Selbstverständlichkeit ist. Eine kleine Hand ruht auf seiner Schulter, während er den Deckel aufschneidet. Ein Gesicht strahlt, als er sich durch Verpackungschips, Styropor und Luftpolsterfolie wühlt.
    Im Innern des Kartons verbirgt sich ein handgearbeitetes hölzernes Schaukelpferd, rosa lackiert und fertig gesattelt – bereit für den ersten Ausritt. Die Mädchen stürzen sich darauf, aber schon nach kurzer Zeit zeigen sie mehr Interesse an dem riesigen Pappkarton.
    »Ein Auto!«, quietscht eine – Ella, glaube ich – Luke ins Gesicht und sieht ihn mit ihren großen strahlenden Puppenaugen an, so dass er sie einfach in die Kiste setzen und durchs Zimmer schieben muss. Die andere – das muss dann wohl Madelyn sein –, will natürlich auch gleich herumkutschiert werden, dann wieder Ella, und bevor man es sich versieht, geht es hin und her: »Mein Auto!«, »Nein, mein Auto!«, »Nein, meins !«
    Mr Henry, der ganz offensichtlich Routine darin hat, solche Streitigkeiten zu schlichten, verschwindet kurz und kommt mit einem Teppichmesser, einer Rolle Klebeband und einer Handvoll Filzstifte bewaffnet zurück. Zehn Minuten später sind aus einem Auto zwei geworden, so dass sich jetzt beide Zwillinge nach Belieben zum Einkaufen, zu Grandma oder in die Schule chauffieren lassen können.
    Ella sitzt aufrecht in ihrem Karton und hält sich beim Fahren an den Pappwänden fest, während Madelyn sich ganz weit zurücklehnt wie in einem Bett und an die Zimmerdecke starrt. Luke schiebt sie an mir vorbei, und ich muss lachen, als ich ihr verzücktes Gesicht sehe. Woran sie jetzt wohl gerade denkt, während sie so daliegt und nach oben schaut?
    Und dann passiert es. Ein entscheidendes Puzzleteil findet seinen Platz. Ich begreife auf einmal. Und bin schockiert.
    Luke bleibt stehen und dreht sich zu mir um.
    »Alles in Ordnung?«, fragt er leise.
    »Ja«, sage ich mechanisch. »Wieso?«
    »Du bist zusammengezuckt, als hättest du dich erschreckt oder so.«
    »Los, los! Weiter!«, befiehlt Madelyn, als ihr klarwird, dass ihr Auto angehalten hat.
    »Schh«, ermahnt Luke seine Schwester sanft. »Warte mal kurz.« Sie verstummt, und Luke steht auf, setzt sich neben mich aufs Sofa und nimmt meine Hand.
    »Geht es dir gut? Du siehst ganz blass aus.« Er streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie sein Vater uns angrinst.
    »Mir ist übel«, sage ich lauter als beabsichtigt, mit dem Ergebnis, dass jetzt auch Lukes Eltern und seine Schwestern auf mich aufmerksam werden. Die gesamte Familie Henry beäugt mich mit einer Mischung aus Neugier und Besorgnis.
    »Möchtest du dich vielleicht ein bisschen hinlegen, London?«, fragt Mrs Henry in einem Tonfall, bei dem ich sofort einen Blick in den Spiegel werfen möchte. So schlimm kann ich doch unmöglich aussehen.
    »Nein, es geht schon«, wiegle ich ab. »Ich glaub, ich gehe einfach nach Hause.«
    Luke steht auf, und die Zwillinge setzen zu einem Protestgeheul an. Mrs Henry beruhigt die Mädchen, während

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