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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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leicht zynisch und verzweifelt. Heute tut er Dinge, von denen er früher
nicht geträumt hätte, und er denkt sich nichts dabei, weil er viel größeres
Elend und viel schlimmere Gemeinheiten erlebt hat.«
    Es stimmte vermutlich, aber ich hatte
keine Lust, auf Mr. Moes Amateurpsychologie einzugehen. »Neverman hat Sie mit
Clemente bekanntgemacht, schließe ich daraus. Sie und Ihre Kollegen im Viertel
standen sozusagen als Puffer zwischen den Dieben und dem Blindenzentrum, damit
die Diebe nicht erführen, daß das Blindenzentrum in Wahrheit ein Hehlerzentrum
war.«
    »Natürlich durfte das nicht bekannt
werden.«
    »Und deshalb hat Neverman Sie draußen
warten lassen, als er gestern abend mit den Leuten am Indienhafen Kontakt
aufgenommen hat.«
    »Ja, aber Neverman hat alles verpatzt,
weil er so laut gebrüllt und Sie verfolgt hat. Dabei sahen die Leute im
Lagerhaus den Lieferwagen und wußten, mit wem sie es zu tun hatten.«
    Ich nickte. »Und die Diebe werden dem
FBI einen Tip geben. Damit ist für Sie alle das Spiel vorbei. Kommen wir jetzt
zu den beiden Morden.«
    Mr. Moe riß den Kopf hoch. Angst
blitzte in seinen Augen auf. »Darüber weiß ich nichts.«
    »Wirklich nicht? Hat nicht Molly
Antonio Clemente auf den Kopf zugesagt, sie wüßte, daß er über Hehlergut
verfügte, weil sie den Beweis dafür bei der Ware fand, die sie von Sebastian
gekauft hatte? Hat Ihnen Clemente nicht den Auftrag gegeben, Molly umzubringen,
als sie ihr angeblich eine Tüte mit Lebensmitteln ins Haus lieferten?«
    »Nein. Er hat mir nie einen solchen
Auftrag gegeben. Ich habe nicht einmal gewußt, daß Molly ihm das vorgeworfen
hat.« Mr. Moes Augen richteten sich auf die Pistole, dann blickte er mich
bittend an. »Sie müssen mir glauben! Ich bin nur hingegangen, um ihr die Sachen
zu bringen. Wäre ich so dumm gewesen, die Tüte mit den Lebensmitteln dort zu
lassen, wenn ich sie umgebracht hätte?«
    Vielleicht, aber ich bezweifelte es.
»Und was ist mit Neverman? Ich bin sicher, Clemente kann ihn zu fast allem
zwingen.«
    Mr. Moe gestikulierte abwehrend mit
beiden Armen. »Ich — ich weiß es nicht.«
    »Seine Frau, die er bekanntlich haßte,
war die nächste, die er umbrachte.«
    »Sie zwang ihn dazu, zu ihm
zurückzukommen. Clemente sagte, er müßte es tun. Neverman war wütend, aber ich
glaube nicht, daß er sie deshalb getötet hätte. Mit der Zeit wäre es ihm
gelungen, mit ihr zu verhandeln und zu einer guten Lösung zu kommen.«
    »Er hat sich für eine endgültige Lösung
entschieden.«
    Mr. Moe schauderte. »Davon weiß ich
nichts.«
    »So leicht kommen Sie nicht davon, Mr. Moe«,
sagte ich und wurde allmählich wütend. »Sie stecken tief in der Sache drin. Man
kann Sie zumindest wegen Beihilfe — «
    Die Außentür des Lagerraums wurde
zugeschlagen.
    Ich deutete Mr. Moe an, sich still zu
verhalten.
    Schritte näherten sich der Tür, die in
den Laden führte.
    Ich machte eine Geste mit der Pistole
und forderte Mr. Moe wortlos auf, zur Schwingtür zu gehen. Steif wie ein
Roboter tappte er darauf zu.
    Die Schwingtür öffnete sich, und
Neverman schaute herein. Er riß die Augen auf, drehte sich um und rannte davon.
    Ich schubste den Lebensmittelhändler
aus dem Weg und lief hinter Neverman her. Er zwängte sich an den aufgetürmten
Kisten vorbei und verschwand. Ein Motor heulte auf. Als ich durch die Tür ins
Freie trat, raste der blaue Wagen des Blindenzentrums gerade davon.
    Ich ging wieder zurück in den Laden.
    Mr. Moe lehnte an der Theke und hielt
sich das Knie fest, das er sich irgendwo angeschlagen hatte. Sein Körper wirkte
schlaff und abgekämpft.
    Ich steckte meine Pistole ein.
    »Was werden Sie jetzt mit mir tun?«
fragte der Lebensmittelhändler.
    »Nichts. Sie bleiben, wo Sie sind.«
    Er nickte. »Ich wüßte nicht, wohin ich
gehen sollte.«
    »Neverman kommt auch nicht weit. Er
half den Dieben, den Rest der Gin-Kisten loszuwerden, nicht wahr?«
    »Ja. So etwas muß vor allem schnell
gehen, das ist entscheidend, und jetzt, wo sie wissen, mit wem sie es zu tun
haben, gab es für uns nichts mehr zu verlieren.«
    »Wahrscheinlich fährt er zurück zum
Indienhafen, wo er dem FBI in die Falle geht.«
    Mr. Moe schwieg und massierte sich das
Knie.
    Ich ging zur Tür.
    »Gehen Sie?«
    »Sie werden nicht lange allein sein.«
Ich entriegelte das Schloß und trat auf die Straße.
    Als ich den Randstein erreicht hatte,
klickte das Schloß hinter mir. Ich lief hinüber in Ellens Kneipe; vor der Tür
schaute ich mich um.

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