Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
Das Licht, das durch die Ritzen der Vorhänge im
Albatroß-Laden gedrungen war, verlöschte.
     
     
     

Kapitel
23
     
    Ellens Kneipe war zum Bersten voll mit
Gästen, die sich schon einen Tag früher in das Wochenende tranken. Ich winkte
Stanley und fragte: »Ist Gus hier?«
    »Im Nebenzimmer.« Er deutete nach
hinten, wo sich die Billard- und Dominospieler trafen.
    Die beiden Hälften des Hinterzimmers
wurden durch eine unsichtbare Zeitschranke voneinander getrennt. Auf der linken
Seite standen die jugendlichen Billardspieler herum, tranken Bier aus Flaschen
und begutachteten die Stöße ihrer Mitspieler. Sie trugen enge Jeans und
T-Shirts und hatten die unvermeidlichen Schlüsselringe an ihren Gürtelschlaufen
eingehakt.
    Rechts davon saßen die Dominospieler;
ältere Männer in Khakihosen und karierten Hemden, die gelassen das Bier aus
Krügen tranken und schweigend dem Spiel zusahen. Ihre wenigen, einsilbigen
Kommentare wurden hier und da von dem lauten Gebrüll der Billardspieler
übertönt, aber wenn das den Dominospielern unangenehm war, so deuteten sie das
nicht einmal durch einen Blick oder eine Geste an.
    Gus hockte mit drei anderen Männern an
einem Tisch; er hatte den Kopf auf beide Fäuste gestützt, während er die
schwarzen Rechtecke mit den weißen Punkten betrachtete. Morgen würde seine Frau
beerdigt werden, aber Gus war nicht von seiner Routine abgewichen.
    Ich ging zu ihm hin und legte ihm eine
Hand auf den Arm.
    »Miss McCone!« rief er überrascht. »Was
gibt’s?«
    »Ich muß mit Ihnen reden, Gus.«
    »Aber ich bin mitten im Spiel.«
    »Bitte — es ist wichtig.«
    Er warf einen gequälten Blick auf seine
Mitspieler. »Machen wir eine Pause, Jungs?«
    Sie brummten, nickten aber zustimmend.
Gus folgte mir in den vorderen Raum und behielt seinen Bierkrug in der Hand.
Wir setzten uns an einen Tisch in der Nähe der Tür.
    »Was ist los?« fragte Gus. »Es ist doch
nicht noch jemand ums Leben gekommen, oder?«
    »Nein, Gott sei Dank. Aber ich habe ein
paar Fragen an Sie.«
    »Dauert es lange? Ich führe nämlich im
Spiel und möchte nicht, daß die anderen meine Dominosteine austauschen, während
ich ihnen den Rücken zuwende.«
    »Es dauert bestimmt nicht lange. Als
Sie neulich in meine Wohnung kamen, um auf Molly zu warten, haben Sie ein Stück
Vorhangschnur an sich genommen.«
    »Was sagen Sie da?«
    »Sie wissen genau, daß Sie die Kordel
geklaut haben, Gus. Sie stibitzen alles mögliche, zum Beispiel Aschenbecher aus
Tims Wohnung, wie heute vormittag.«
    Er lief rot an. »Woher wissen Sie das?«
    »Das tut nichts zur Sache. Ich weiß,
warum Molly Sie hinausgeworfen hat. Und ich weiß, daß Sie gelegentlich Bürsten
aus Sebastians Parka klauen.«
    Beschämt starrte er in seinen Bierkrug.
Schließlich meinte er kleinlaut: »Ich versuche es. Ich versuche es die ganze
Zeit, das Klauen sein zu lassen, aber dann kommt es einfach über mich.« Er warf
einen Blick in Richtung auf das Hinterzimmer. »Sie sagen es denen doch nicht,
oder? Die haben keine Ahnung, halten mich für einen ganz normalen Menschen.«
    »Mich interessiert lediglich dieses
Stück Kordel. Was haben Sie damit gemacht?«
    »Gar nichts.«
    »Haben Sie sie noch?«
    »Ah — nein.«
    »Wo ist sie?«
    »Ja, also, ich...«
    »Gus, wo?«
    »Also, ich hatte sie in meiner
Jackentasche. Und ich nahm sie heraus und spielte damit, als ich Sebastian zum
Abendessen zurück ins Zentrum führte.«
    »Und dann?«
    »Sebastian ist schlau, wissen Sie. Er
merkte, daß ich mit etwas spielte, und fragte mich, was es war. Er behauptet
nämlich, man könnte es an meiner Stimme erkennen, wenn ich etwas geklaut habe.
Er merkt es immer. Ich habe es zugegeben, und er hat mir die Kordel weggenommen.
Sagte, er würde sie Ihnen zurückbringen, dann würden Sie gar nicht merken, daß
sie verschwunden war.«
    Aber er hatte sie nicht zurückgebracht,
sondern mitgenommen ins Blindenzentrum.
    »Okay. Noch eine Frage: Wie gut haben
Sie Anya Neverman gekannt?«
    Er zog die Stirn in Falten. »Sehr gut.
Sie war Mollys beste Freundin. Und Sebastian und ich sind oft bei ihr gewesen
und haben ihr alles mögliche verkauft. Sebastian wollte mit ihr ins Geschäft
kommen und ihr die Kerzen und Talismane verkaufen, wenn er sie besorgen
konnte.«
    »Wenn Sie sie besuchten — ist sie da
immer mit dem Revolver in der Hand an die Tür gekommen?«
    »Natürlich. Anya war ein bißchen
übergeschnappt, wissen Sie; sie dachte, jeder, der zu ihr kommt, will sie
vergewaltigen. Dabei

Weitere Kostenlose Bücher