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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Abend genossen. Ich zwängte mich an die Bar durch und bat darum,
das Telefon benützen zu dürfen.
    »Hinten bei den Toiletten ist ein
öffentlicher Apparat, Lady.«
    »Ich habe kein Kleingeld und keine
Zeit.«
    »Hören Sie, Lady...«
    »Das Telefon!« Ich hielt dem Barkeeper
meine Lizenzkarte unter die Nase. Sie war zwar nicht der Dienstausweis eines
Polizisten, sah aber verdammt offiziell aus. Der Barkeeper riß die Augen weit
auf und reichte mir den Apparat über die Theke.
    Ich wählte die Sammelnummer der
Polizei, ließ mich mit der Zentrale des Präsidiums verbinden und vernahm dann
das Klicken und die knackenden Geräusche in der Leitung. Der Barkeeper lehnte
sich zu mir herüber und beäugte mich mit großer Neugier. Ich versuchte ihn
wegzuscheuchen, aber vergeblich.
    Das letzte, was ich mir gewünscht
hätte, wäre eine Bar voller Neugieriger gewesen, die über die Straße liefen, um
zuzusehen, was dort vor sich ging. Ich forschte in meiner Erinnerung nach dem
Code der Polizei, den mir Greg an einem Sonntagnachmittag beigebracht hatte, als
wir nichts Besseres zu tun hatten.
    »Zentrale, Lucke am Apparat.«
    Ich identifizierte mich und gab die
Adresse des Blindenzentrums durch, wobei ich dem neugierigen Barkeeper den
Rücken zukehrte.
    »Es handelt sich um einen
zehn-einunddreißig, und ich brauche Hilfe. Unauffällige Hilfe. Wenn der Täter
etwas hört, wird er verscheucht.«
    »Ich gebe es sofort durch.«
    Code 10-31 bedeutete ein Tötungsdelikt,
das noch im Gange war.
    Ich war mir nicht sicher gewesen, ob
der Mann in der Zentrale mitspielen würde angesichts eines weiblichen
Privatdetektivs, aber er schien gemerkt zu haben, daß ich wußte, wovon ich
sprach.
    Jetzt knallte ich den Hörer auf die
Gabel und drängte mich wieder nach draußen. Je nachdem, wo er sich befand,
konnte der nächste in der Gegend kreuzende Streifenwagen in drei oder vier
Minuten eintreffen. Inzwischen mußte ich tun, was ich konnte, um einen weiteren
Mord zu verhindern.
     
     
     

Kapitel
24
     
    Ich betrat die Kirche auf demselben Weg
wie zuvor und schlich durch den Korridor zur Treppe ins Vestibül. Als ich die
Treppe hinauftastete, vernahm ich keinen Laut. Dann hörte ich ein Rascheln im
Kirchensaal.
    »Bitte, schalten Sie das Licht ein!«
Linneas Stimme klang rauh und belegt vor Angst. »Bitte! Ich kann ja nichts
sehen.«
    Wenigstens lebte sie noch!
    Eine Männerstimme kicherte leise.
    Die Kirche war dunkel bis auf das
wenige Licht, das von der nackten Glühbirne des Vestibüls hereindrang in den
riesigen Raum. Im Dunkeln war meine Pistole völlig nutzlos. Ich schaute den
Mittelgang entlang, aber alles, was ich sehen konnte, war das schwache
Schimmern der Buntglasfenster. Linnea schluchzte hilflos.
    Ich tastete an der Seitenwand nach dem
Dimmer, mit dem Neverman am vorletzten Abend gespielt hatte. Es war ein Risiko,
aber ich mußte es eingehen. Ich drehte den Schalter ein wenig, sah, wie das
Licht anging und den ehemaligen Altar in blaßgelbliches Licht tauchte.
    Linnea stieß einen Schrei aus.
    Sie, und Sebastian lagen auf den Knien,
oben auf der Plattform, wo früher der Altar gestanden hatte. Sebastian kniete
hinter ihr und hatte ihr den linken Arm um den Hals gelegt. In der Rechten
hielt er den Revolver, den er aus Anyas Wohnung mitgenommen hatte.
    Sebastian war völlig blind, wie mir der
Personalchef bei Standard Oil versichert hatte. Er konnte nicht einmal zwischen
Licht und Dunkelheit unterscheiden. Ich drehte den Dimmer.
    Linnea keuchte und versuchte, sich zu
befreien.
    »Keine Angst«, sagte Sebastian, der
noch immer nichts bemerkt hatte.
    Ich hätte am liebsten auf der Stelle
auf ihn geschossen, aber die Entfernung war zu groß. Langsam näherte ich mich
dem Podest über den Mittelgang.
    Linnea sah mich und zuckte heftig.
    »Nein, nicht«, brummte Sebastian.
    Ich machte eine Geste, die Linnea
andeuten sollte, ruhig zu bleiben.
    Sie starrte mich aus angsterfüllten
Augen an. Angesichts ihrer Labilität — konnte ich darauf rechnen, daß sie
durchhalten würde?
    Nach unendlich langen Sekunden nickte
sie andeutungsweise.
    Ja, ich habe verstanden.
    Ich kam durch den Mittelgang auf sie
zu.
    »Sie haben alle zwei getötet, nicht
wahr?« Linneas Stimme klang weniger hysterisch, aber sehr laut.
    Braves Mädchen. Wenn sie redete, würde
er vielleicht nicht bemerken, daß sich jemand näherte.
    »Ich mußte sie umbringen.«
    »Warum? Warum mußten Sie?«
    »Ich mußte verhindern, daß sie zur
Polizei gingen. Ich wollte ja

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