Frag Nicht - Kuess Mich
strömten jetzt hinaus, sahen sich suchend nach einem freien Taxi um oder machten sich auf den Weg zu einem der eleganten Restaurants am Circular Quay. Nervös zog Lara den Umhang fester um sich und ließ den Blick suchend über die Menschenmenge schweifen.
Alessandro war noch ganz erfüllt von Puccinis Musik, als er die Freitreppe hinunterschritt. Doch nicht nur die Musik wühlte ihn auf, sondern auch tiefes Begehren.
Vor sechs Jahren hatte er mit Lara oft die Oper besucht. Sie liebte die Musik mindestens genauso wie er selbst. Sie war so wissbegierig gewesen, sog alles in sich auf und war fasziniert von den Legenden, die er ihr über Diven und Dirigenten erzählte.
Die Aufführung heute Abend hätte Lara sicher gefallen. Und Alessandro hätte sie in ihrer Gegenwart noch mehr genossen. Er liebte ihre Begeisterungsfähigkeit.
Bei der Vorstellung, bald keinen Kunstgenuss mehr mit ihr teilen zu können, wurde er schwermütig.
Er machte sich auf den Weg zu seinem Hotel und mochte gar nicht an die freudlose Zeit denken, die vor ihm lag: andere Großstädte, andere Hotels, einsame Abende und Nächte, flüchtige Bekanntschaften, bedeutungslose Karrieresprünge. Fremde Büros, in denen er vorübergehend arbeitete. Er hatte nichts Eigenes. Sein Leben war völlig sinnlos.
Wenn es so weiterginge, würde er als alter Mann in seiner Palastruine in Venedig enden. Dabei sehnte er sich doch so sehr nach …
„Alessandro! Sandro?“
Mitten aus der Bewegung heraus blieb er stehen. Dann blickte er nach oben. Bildete er sich das nur ein, oder stand Lara dort auf der eleganten Freitreppe der Oper? Sie lächelte etwas unsicher, begegnete aber entschlossen seinem Blick. Freude überkam ihn, als sie auf ihn zuging.
„Hallo“, sagte Lara atemlos. „Ich war gerade in der Gegend, da dachte ich, ich könnte dich vielleicht zum Abendessen abholen.“
„Zum Abendessen“, wiederholte Alessandro geistesabwesend. Wie wunderschön sie in dieser Aufmachung war! Das Schwarz betonte ihr zartes Gesicht, der Saum des roten Kleides umspielte ihre Knie.
Und sie strahlte, als würde ein Feuer in ihr brennen.
Nun sah sie ihn beunruhigt an. „Falls du nicht schon etwas anderes vorhast.“
Alessandro hatte sich wieder unter Kontrolle. „Nein, ich würde sehr gern mit dir zu Abend essen.“ Er lächelte. „Wie schön, dass du gerade vorbeigekommen bist.“
„Da hatte wohl das Schicksal die Hände mit im Spiel“, behauptete sie lachend und stand nun direkt vor ihm.
Am liebsten hätte er sie an sich gezogen, ihren sinnlichen Körper an seinem gespürt, ihren Duft eingeatmet, doch er wagte es nicht. Er befürchtete, seine Erregung nicht unterdrücken zu können. Und schließlich konnte er sich nicht in aller Öffentlichkeit seinen überwältigenden Gefühlen für Lara hingeben.
„Wo wollen wir hingehen?“, fragte sie.
„Wir bleiben hier“, antwortete er und begann, die Treppe wieder hinaufzugehen. Dann reichte er Lara die Hand. Hoffentlich war noch ein Tisch in einem der Restaurants frei.
„O ja.“ Sie strahlte. „Erinnerst du dich noch an unseren Abend hier? Du weißt schon …“ Sie senkte den Blick und fuhr leise fort. „… bevor wir …“
„Natürlich weiß ich das noch.“ Er drückte ihre Hand. „Wie könnte ich das jemals vergessen?“
„Genau der richtige Ort, um Pläne zu schmieden, oder?“
Für Lara war das Guillaume das aufregendste Restaurant in ganz Sydney. Es befand sich in der südlichsten Muschel der Oper. Durch riesige Fenster konnten man den Blick auf den Hafen genießen oder auf die Stadt, wenn man auf der anderen Seite des Restaurants saß. Die Schiffe im Hafen waren beleuchtet, die Lichter spiegelten sich im Wasser. Die Brücke und die Umrisse der Stadt hoben sich ebenfalls leuchtend von dem dunklen Nachthimmel ab. Man hatte den Eindruck, das Restaurant befände sich auf dem Wasser.
Es herrschte eine aufregende Atmosphäre. Die Gäste in eleganter Abendkleidung erfreuten sich an edlen Weinen und köstlichen Gerichten. Interessiert blickte Lara sich um. Schade, aus Newton war niemand hier, der ihren Einzug am Arm des heißesten Marchese bestaunen könnte.
Der Ober führte sie zu einer Nische, von der aus man einen herrlichen Rundumblick über den Hafen genießen konnte. Der Tisch war mit weißem Leinen, Silber und Kristallgläsern gedeckt. Lara legte ihren Umhang ab und spürte Alessandros sehnsüchtigen Blick.
„Sieh mal!“ Sie lächelte frech. „Das Tischtuch reicht bis auf den
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