Framstag Sam
Kavallerie stets dann anrückt, wenn die Lage absolut hoffnungslos geworden ist – tauchte in der Luft ein Polizeihelikopter auf. Mit ein paar wohlgezielten Knüppelschlägen, die Sam an seine selige Studentenzeit zurückdenken ließen, wurden die aufgebrachten Verkehrsteilnehmer wieder in ihre Wagen zurückgetrieben. Der Fahrer des Peugeots wurde ohne viel Federlesens in den Helikopter geworfen. Kurz darauf schoben die Polizisten das liegengebliebene Fahrzeug einfach in den Straßengraben.
Die Blechlawine gab wieder Gas. Sie fuhr weiter, als sei nicht das geringste geschehen.
Auch Susans Starter schien seine Mucken zu haben, denn Sam sah, daß das Mädchen neben ihm plötzlich erbleichte. Zum Glück klappte es dann doch noch.
»Passierthier so was öfter?« fragte Sam, als er die Sprache wiedergefunden und sein Haar sich wieder geglättet hatte.
»Glücklicherweise nicht«, sagte Susan. »Es spricht auch nicht gerade für die Verkehrsteilnehmer, daß sie so gereizt auf die Sache reagiert haben. Sie hätten die Sache von Anfang an der Polizei überlassen sollen…«
»War der Mann denn ein Verbrecher?«
»Natürlich. Er wird wohl zehn Jahre Zwangsarbeit kriegen, wenn es ihm nicht gelingt, die Schuld auf seine Werkstatt zu schieben. So ein Glück hat man aber selten.«
Sam starrte sie verdutzt an. »Soll das etwa heißen… daß der Bursche zehn Jahre zu erwarten hat… nur weil er einmal Pech hatte?«
»Aber sicher. Sein Verbrechen kostet Tausenden von Verkehrsteilnehmern kostbare Minuten – und vielleicht sogar einen Parkplatz!«
»Ist ein Parkplatz denn so wichtig?«
»Man sieht schon, daß du von unserer Zeit nicht die allerkleinste Ahnung hast. Und ob ein Parkplatz wichtig ist!«
Sam dachte ein Weilchen über diese höchst unerfreuliche Zeit nach und kam zu dem Schluß, daß der Heilige Petrus möglicherweise doch recht gehabt hatte. Welch ein Leben muß ein Autofahrer in dieser Welt führen, dachte er furchtsam, wenn er stets damit rechnen muß, daß man ihn wegen einer simplen Panne beim Wickel nimmt.
»Aber warum geht ihr denn nicht zu Fuß, wenn die Verhältnisse so schrecklich sind?«
»Wenn ich das könnte…– Susan hob vielsagend ihre Beine und wackelte mit den Zehen. »Aber das geht deswegen nicht.«
Genau in diesem Augenblick begannen die vor ihnen fahrenden Wagen die Geschwindigkeit herabzusetzen. Susan hörte mit dem Zehengewackel auf und stieg auf die Bremse.
»Was meinst du damit?« fragte Sam.
»Meine soziale Lage ist nun mal so«, sagte sie. »Du scheinst ja aus einer begüterten Familie zu stammen, was? Du hast ja auch Schuhe an.«
Natürlich besaß er Schuhe. Sie sahen zwar ein bißchen gammelig aus und waren auch nicht mehr die neuesten, aber es waren in der Tat Schuhe.
»Na und?« fragte Sam. »Kannst du dir etwa keine kaufen, wenn du Lust dazu hast?«
Susan lachte. »Bist du dumm! Natürlich kann ich das nicht! Hast du eine Ahnung, was Schuhe kosten?«
»Zu meiner Zeit hat man sie fast verschenkt«, sagte Sam, ein wenig übertreibend.
»Zehntausend Dollar für ein gewöhnliches Paar aus Schweinsleder«, sagte Susan. »Und weißt du, woran das liegt?«
»An der sozialen Lage, wie?« fragte Sam.
»Keineswegs. Es liegt daran, daß auf der ganzen Welt nur noch ein paar hundert Schweine rumlaufen. Und Schweinsleder ist noch das billigste Material.«
»Es müßte doch möglich sein, Schuhe aus irgendeinem Kunststoff herzustellen?« »Hör auf zu scherzen«, sagte Susan mit Abscheu. »Nur die allerfeinste Schickeria besitzt Schuhe. Zwischen denen kann man doch nicht mit Plastiksandalen herumlaufen, hör mal!« Sie fröstelte. »Brrrrr.«
Sie schwiegen eine Zeitlang. Schließlich bogen sie in eine Nebenstraße ein, die nur über sechs Fahrspuren verfügte. Von dort aus gelangten sie auf einen vierspurigen Weg. Einen Kilometer weiter steuerten sie auf eine Einfahrt zu.
Susan schaltete den Motor ab. Die nachfolgende Stille war beinahe unerträglich. »Wir sind da«, sagte sie.
Sie ging vor Sam her auf eine kleine Villa zu. Das Wohnzimmer war geräumig und komfortabel eingerichtet. Eine ganze Wand wurde von einem Fernsehschirm bedeckt, eine andere war hingegen völlig aus Glas und erlaubte den Ausblick auf die Natur. Eine wirklich sehenswerte Aussicht.
Durch die von Villen mit abscheulichen kleinen Gärten bedeckte Landschaft führten breite Wege auf eine Stadt zu, die aus kilometerhohen und ebenso breiten Betonklötzen bestand und von riesengroßen Parkplätzen umgeben
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