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Franny Parker

Franny Parker

Titel: Franny Parker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Roberts McKinnon
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aus dem Gesicht und gab mir einen Kuss auf die Nase. Ich hielt den Atem an. Stand auf. Und dann ging ich mit schwingenden Armen neben ihr her und das Gras der Wiesen kitzelte meine Fingerspitzen.
    Ich sah mich nur einmal um und blickte in den wolkenlosen Himmel. Er war leer. Und da sah ich es.Unter dem Himmel das Aufblitzen von blauem Jeansstoff in einem Baum in der Nähe, ein schaukelnder Zweig, der die Blätter erzittern ließ. Zwei braune Füße, die sich schnell auf einen dicken Ast der großen Eiche zurückzogen, und mir stockte beinahe der Atem. Er hatte es also doch nicht verpasst.

Der Korb
    I ch fing an, neben der Scheune Essen stehen zu lassen. Ich stiebitzte Sachen aus der Küche, wickelte sie in ein Geschirrtuch und legte sie in einen alten Korb. Anfangs tat Mama so, als würde sie es nicht merken, doch dann gab sie mir was dazu. Ein Glas mit süßen Pfirsichen, einen warmen Laib Brot. »Für deinen Korb«, sagte sie.
    Am selben Nachmittag, an dem wir uns von den Schwalben verabschiedet hatten, stellte ich den Korb an die Scheunentür. Den ganzen Nachmittag blieb der Korb unberührt im Schatten stehen. Als es dunkel wurde, hörte ich ein Geräusch, aber es war nur ein dicker Waschbär vor meinem Fenster. Ich hatte schon aufgegeben, doch am nächsten Tag war der Korb weg.
    Und das ging so: Jedes Mal tauchte der Korb wieder auf, das Essen war fort und stattdessen lag eine Kleinigkeit drin. Erst ein Tannenzapfen. Ich rollte ihn zwischen den Handflächen und atmete den Waldgeruch ein, der klebrig süß war. Das zweite Mal war es eine wilde Rose, von der alle Dornen entfernt worden waren. Die samtigen Blütenblätter waren rosig. Wortlose Botschaften in einem Korb. Ich hob jede auf, verstecktin einer Schuhschachtel unter meinem Bett, wie Liebesbriefe.
    »Weißt du, wo er ist, Franny?«, fragte mich Mama. Ich wusste es natürlich nicht. Aber ich wusste, dass er in der Gegend war. Und es war etwas, was ich Mama einfach nicht erzählen konnte. Denn da sie ja eine Mutter war, hätte sie es Lindy sagen müssen. Und niemand wusste, was dann passieren würde. Jeder von uns musste zu jemand halten und es war ganz schlimm, meine Loyalität Mama gegenüber zu brechen. Daher schüttelte ich nur den Kopf und kreuzte die Finger hinter dem Rücken. Es war die einzige große Lüge, die ich je erzählt hatte, und sie lag mir wie ein dicker Stein im Magen.
    Lindy kam ständig vorbei und fragte, ob wir was gesehen hätten.
    »Er kommt schon wieder«, beruhigte Mama sie. Lucas’ Vater hingegen schien sich keine Gedanken zu machen. Das kalte Klirren von Flaschen auf dem Verandaboden hallte durch die Nächte. Ich verstand einfach nicht, dass Lindy ihn nicht hinauswarf, wo doch ihr Junge davongelaufen war und sie immer noch die rote Stelle auf der Wange hatte. Doch Mama sagte, wir sollten kein Urteil fällen, wir könnten nur helfen, wenn sie um Hilfe bäte. Es war schlimm. Selbst Mama wurde mürbe von dem Warten auf ihre Bitte.
    Ich konnte nachts nicht schlafen. Ich lag wach, bis Siddas leises Schnarchen den Raum erfüllte, dann griffich unter mein Bett. Lucas’ Geschenke fielen aus der Schuhschachtel, übergossen vom Mondlicht. Ein runder Kiesel, ein Grashalmarmband, zwei rote Herbstblätter. Ich hielt diese Schätze in Händen, drückte jeden an die Wange und verstaute sie wieder unter dem Bett. Und ich machte mir Sorgen, ob das, was ich tat, falsch war, und überlegte, was für ein Geschenk wohl morgen im Korb liegen würde.

Geheimnisse
    E rzähl mir ein Geheimnis«, flüsterte Izzy mir zu und steckte einen Fünf-Dollar-Schein in meine Kaffeedose.
    Ich erschrak. »Ich hab keine Geheimnisse!«, rief ich etwas zu laut und tat so, als würde ich den Inhalt der Tierkasse zählen. Wusste Izzy das mit Lucas?
    Es war Bienen-Freitag. Lucas war seit einer Woche verschwunden und das Geld von Harlands Supermarkt war weder aufgetaucht noch zurückgebracht worden. Die Trockenheit machte alle fertig. Die gnadenlose Hitze erdrückte uns fast, bis unsere Schläfen pochten und alle mit ihrer Geduld am Ende waren.
    Izzy setzte sich mit keuchendem Schnauben an den Tisch. »Mir ist einfach langweilig und es ist so heiß. Ein kleines Geheimnis würde mich aufheitern.«
    »Nur Sünder haben Geheimnisse«, stellte Grandma fest, ohne den Blick von der Flickendecke zu nehmen. Ein Baumstamm reckte sich in den hellblauen Flickenhimmel, wo Grandma gerade säuberlich den Flügel eines weißen Vogels festnähte, der auf einem Ast saß. Dotty und Faye

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