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Franny Parker

Franny Parker

Titel: Franny Parker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Roberts McKinnon
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selbstständig. Aber wer hätte das gedacht, in der Nacht quetschten sie sich alle in ihr kleines Nest und schrien nach Fressen. Mama sagte, sie würden sich zu sehr auf mich verlassen. Sie sagte, es sei an der Zeit.
    Daddy fand, wir sollten eine richtige Feier abhalten, weil sie doch die ersten Patienten seien, die die Klinik verließen. Also schmückte ich ihren Käfig mit kleinen Papierflügeln und bereitete das Ereignis vor. Die ganze Familie fand sich ein, sogar Sidda. Grandma Rae kam dazu. Sie hatte ihre Fahrerkäppi auf und ärgerte sich über den Staub, der sich auf ihre guten Schuhe legte. Ich hoffte immer noch auf Lucas’ Erscheinen.
    Daddy trug den geschmückten Käfig den Weg hinauf in die Hügel hinter unserem Haus und wir folgten. Es war früher Nachmittag. Ich wollte, dass die Kleinen noch was vom Tag hatten, um sich in ihrer neuen Welt zurechtzufinden, ehe es Nacht wurde.
    »Das ist ein guter Fleck«, sagte Mama. Wir hatten an einer ruhigen Lichtung am Waldrand angehalten. Ich hielt Ausschau nach einem Lebenszeichen von unten, aber das Holzhaus war ruhig und der Garten leer.
    »Es ist gut möglich, dass die Kleinen wiederkommen, entweder in unsere Scheune oder in eine der Nachbarn«, sagte Dad und stellte den Käfig ins hohe Gras. »Und wenn wir Glück haben, kommen sie Jahr für Jahr wieder und ziehen ihre Jungen auf.«
    Ben klatschte in die Hände. Und vielleicht war es selbstsüchtig von mir, aber mir gefiel die Vorstellung auch. Dass die Kleinen nach Hause kommen würden, zu mir.
    »Franny, willst du ihnen nicht die Ehre erweisen?«, fragte Mama. Ich sah mich noch mal suchend nach Lucas um, dann öffnete ich das Türchen. Die fünf Vögel sahen mich an.
    »Ihr wart brave Patienten«, sagte ich zu ihnen. »Jetzt sucht euch ein Zuhause. Und hütet euch vor Scheunenkatzen!« Ich trat zurück, die anderen auch, ganz langsam. Und dann warteten wir. Aber die Schwalben rührten sich nicht.
    »Blöde Vögel«, murrte Sidda. »Merken sie nicht, dass sie frei sind?«
    Mama stieß sie an und wir hielten den Atem an. Es dauerte lange, aber schließlich hüpfte ein Schwälbchen an die Tür. Es kauerte vorsichtig auf dem Rand,blinzelte und flog davon. Die anderen sausten hinterher. Gemeinsam kreuzten sie durch die Luft, auf die Bäume zu, dann verschwanden sie.
    »Da fliegen sie hin!«, rief Dad.
    »Viel Glück, ihr Kleinen!«, rief Mama.
    Ben fing zu weinen an und Grandma Rae drückte ihn an sich. »Du mochtest die kleinen Schwälbchen, was?«, sagte sie.
    Ich konnte nichts sagen. Ich hatte nicht erwartet, dass sie so schnell weg wären.
    Und damit machten wir uns alle auf den Rückweg. Vor mir schaukelte der leere Käfig in Dads Hand.
    »Du hast es geschafft, Franny«, flüsterte mir Mama ins Ohr.
    Ich nickte nur, meine Kehle war wie zugeschnürt, ich brachte keinen Ton heraus, während wir zusammen dahingingen. Die anderen eilten den Weg entlang, Ben und Sidda lachten schon wieder, Grandma Rae regte sich über den schmutzigen Saum ihres Kleides auf. Sie machten einfach weiter, als sei gar nichts passiert. Aber ich konnte nicht anders; ein heftiges Schluchzen stieg mir die Kehle hoch. Ich setzte mich ins Gras, überwältigt und ausgepumpt.
    Mama kniete sich neben mich. »Ach Schätzchen«, sagte sie und zog mich an sich. »Es ist eine traurige, immer gleiche Geschichte, die Geschichte von uns Müttern. So geht es uns eben. Wir lieben etwas ganz schrecklich, bis die Liebe einfach überläuft. Aber grämdich doch nicht; du hast die Kleinen gut aufgepäppelt. Die machen ihren Weg schon.«
    »Aber was ist, wenn sie sich verirren? Oder wenn sie verletzt werden und keiner hilft ihnen?« Ich musste mir einfach Sorgen machen.
    »Die Kleinen kommen schon zurecht, Franny«, versicherte mir Mama.
    Aber es kamen eben nicht alle zurecht. Es kam mir so vor, als ob ich in diesem Sommer von Schmerz umzingelt sei, als ob er schon immer da gewesen sei. Ich hatte ihn bloß nie gesehen.
    Ich weinte schrecklich. Ich weinte über alle Kinder der Welt, Tierkinder und Menschenkinder. Die Kinder ohne Mütter oder mit bösen Vätern. Um Lucas, um Lindy, um mich selbst. Ich weinte, bis keine Tränen mehr da waren. Mama wiegte mich dort im Gras, dass die Farben der Landschaft um uns tanzten. Ich schloss die Augen, aber die Farben brannten mir unter den Lidern. Das Schwarz der Obstplantage, das helle Blau auf Lucas’ Arm, das braune Aufblitzen der Flügel im Wald. Als die Tränen schließlich versiegt waren, strich mir Mama das Haar

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