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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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habe.»
    Sie verzog
das Gesicht zu einer komplexen Grimasse der Gleichgültigkeit ihm gegenüber und
der Verärgerung über ihr Buch. Er setzte sich zu ihr an den Tisch, biss von dem
Bagel ab und kaute eine Weile, kaute weiter und machte sich erst dann klar,
dass die Sache mit dem Schlucken problematisch werden würde. Allerdings war
keine Eile geboten, da Jenna noch immer zu lesen versuchte.
    «Was,
glaubst du, ist mit deinem Bruder los?», sagte er, nachdem er ein paar Bissen
hinuntergewürgt hatte.
    «Wie
meinst du das?»
    «Er
verhält sich wie ein Idiot. Irgendwie unreif. Findest du nicht?»
    «Da darfst
du nicht mich fragen. Er ist dein Freund.»
    Sie
starrte weiter auf ihr Buch. Ihre herablassende Unzugänglichkeit war identisch
mit der der Spitzenmädels an der Virginia. Der einzige Unterschied war der,
dass er Jenna noch attraktiver fand und ihr jetzt nahe genug war, um ihr
Shampoo zu riechen. Unter dem Tisch, in seinen Boxershorts, zeigte sein
Halbsteifer auf sie wie die Kühlerfigur eines Jaguars.
    «Und was
machst du heute?», sagte er.
    Sie
klappte das Buch zu, als fände sie sich damit ab, dass er immer noch da war.
«Shoppen», sagte sie. «Und heute Abend ist in Brooklyn eine Party. Und du?»
    «Vermutlich
nichts, da dein Bruder die Wohnung nicht verlassen will. Ich habe hier eine
Tante, mit der ich mich um vier treffe, sonst war's das.»
    «Ich
finde, Jungs haben es schwerer», sagte Jenna. «Zu Hause, meine ich. Mein Dad
ist unglaublich, und ich komme damit zurecht, habe
kein Problem damit, dass er berühmt ist. Aber ich glaube, Jonathan hat immer
das Gefühl, dass er etwas beweisen muss.»
    «Indem er
zehn Stunden am Stück fernsieht?»
    Sie
runzelte die Stirn und sah Joey, womöglich zum ersten Mal, richtig an. «Magst du meinen
Bruder überhaupt?»
    «Aber ja
doch. Erst seit Donnerstagabend ist er seltsam. Na, so wie er gestern gefahren
ist? Ich dachte, vielleicht hast du da Einblicke.»
    «Ich
glaube, das Größte für ihn ist, um seiner selbst willen gemocht zu werden. Und
nicht wegen unserem Dad.»
    «Verstehe»,
sagte Joey. Und sah sich inspiriert hinzuzufügen: «Oder nicht wegen seiner
Schwester.»
    Sie
errötete! Ein klein wenig. Und schüttelte den Kopf. «Ich bin nichts
Besonderes.»
    «Hahaha»,
sagte er und errötete ebenfalls.
    «Also wie
mein Dad bin ich schon mal gar nicht. Ich hab keine großen Ideen und auch
keinen großen Ehrgeiz. Im Grunde bin ich, wenn man sich's mal genau ansieht,
doch ziemlich egoistisch. Fünfzig Hektar in Connecticut, ein paar Pferde, ein
Vollzeitknecht und vielleicht noch ein Privatjet, das wär's für mich schon.»
    Joey fiel
auf, dass es lediglich einer Anspielung auf ihre Schönheit bedurft hatte, um
sie zu öffnen und dazu zu bringen, über sich zu reden. Und nun, da die Tür sich
auch nur einen Millimeter aufgetan hatte und er durch die Ritze geschlüpft war,
wusste er, was er tun musste. Er musste zuhören und verstehen. Und es war nicht
etwa ein gespieltes Zuhören oder Verstehen. Es war Joey im Frauenland. Es
dauerte nicht lange, da war ihm in dem schmutzigen Winterlicht der Küche,
während er Anweisungen von Jenna entgegennahm, wie man einen Bagel richtig
belegte, mit Lachs und Zwiebeln und Kapern, nicht sehr viel unwohler, als wenn
er sich mit Connie unterhalten hätte oder seiner Mom oder seiner Großmutter oder Connies Mom. Jennas
Schönheit war nicht weniger blendend als zuvor, doch sein Ständer war keiner
mehr. Er warf ihr ein paar Brocken über seine familiäre Situation hin, und im
Gegenzug räumte sie ein, dass ihre Familie nicht besonders glücklich über ihren
Freund war.
    «Es ist
schon verrückt», sagte sie. «Ich glaube, das ist ein Grund, weswegen Jonathan
hierher wollte und jetzt die Wohnung nicht verlässt. Er glaubt, das mit mir und
Nick irgendwie torpedieren zu müssen. Als würde er es beenden können, wenn er
immer bei uns rumschwirrt und uns in die Quere kommt.»
    «Warum
mögen sie Nick denn nicht?»
    «Na, zum
einen ist er katholisch. Und er hat an der Uni Lacrosse gespielt. Er ist
superklug, aber nicht auf eine Weise, die sie gut finden.» Jenna lachte. «Ich
hab ihm mal von dem Thinktank meines Dads erzählt,
und als seine Verbindung das nächste Mal eine Party machte, haben sie ein
Schild mit. der Aufschrift Thinktank ans Fass gehängt. Ich fand das richtig
komisch. Jetzt weißt du's ungefähr.»
    «Betrinkst
du dich oft?»
    «Nein, ich
vertrage so viel wie ein Floh. Und Nick hat mit dem Trinken aufgehört, als

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