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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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Katz allein zu sein, womit er einige gute Grundfertigkeiten im
Aufreißen bewies.
    «Zachary
ist ein toller junger Musiker», sagte Katz. «Das garantiere ich euch. Man muss sein Talent im Auge behalten.»
    Die
Mädchen sahen irgendwie traurig und gelangweilt zu Zachary hin.
    «Ehrlich»,
sagte Katz. «Bittet ihn mal, dass er mit euch nach unten geht und euch was
vorspielt.»
    «Wir
stehen aber mehr auf Alt-Country», sagte Caitlyn. «Weniger auf Jungsrock.»
    «Er hat
auch ein paar tolle Country-Licks drauf», beharrte Katz.
    Caitlyn
straffte die Schultern, wodurch sie sich wie eine Tänzerin in Positur brachte,
und blickte ihn unverwandt an, wie um ihm die Gelegenheit zu geben, die
Gleichgültigkeit, die er ihr bezeigte, zu korrigieren. Gleichgültigkeit war sie
offensichtlich nicht gewohnt. «Warum baust du eine Dachterrasse?», sagte sie.
    «Wegen
frischer Luft und Training.»
    «Warum
brauchst du Training? Du siehst doch ziemlich fit aus.»
    Katz war
sehr, sehr müde. Außerstande zu sein, das Spiel, das Caitlyn mit ihm spielen
wollte, auch nur für zehn Sekunden mitzuspielen, hieß, die Lockungen des Todes
zu verstehen. Sterben wäre der sauberste Schnitt zu dem, womit man ihn in
Verbindung brachte - der Vorstellung des
Mädchens von Richard Katz - und was ihn belastete. Südwestlich von ihnen erhob
sich der massige Zweckbau aus der Eisenhower-Zeit, der fast jedem Loft-Bewohner
in TriBeCa die Aussicht auf die Architektur des 19. Jahrhunderts verschandelte.
Früher hatte der Bau noch Katz' urbane Ästhetik
beleidigt, jetzt aber gefiel er ihm, weil er die urbane Ästhetik der Millionäre beleidigte, die sich in dem Viertel
breitgemacht hatten. Wie der Tod türmte er sich über dem vortrefflichen Leben
auf, das dort geführt wurde; fast war er für ihn schon zu einem Freund
geworden.
    «Dann
sehen wir uns doch mal das Bananenbrot an», sagte er zu dem pummeligen Mädchen.
    «Ich hab
dir auch Wintergreen-Kaugummis mitgebracht», sagte sie.
    «Ich
schreib dir einfach was auf die Schachtel, die kannst du dann behalten.»
    «Das wäre
Wahnsinn!»
    Er nahm
einen Marker aus der Werkzeugkiste. «Wie heißt du?»
    «Sarah.»
    «Schön,
dich kennenzulernen, Sarah. Ich werde dein Bananenbrot mit nach Hause nehmen
und heute Abend als Nachtisch essen.»
    Mit so
etwas wie moralischer Empörung sah sich Caitlyn noch
kurz an, wie da ihr hübsches Ich übergangen wurde. Dann gesellte sie sich zu
Zachary, das andere Mädchen folgte ihr. Und hierin, dachte Katz, lag doch ein
Konzept: Statt zu versuchen, die Tussen, die er hasste, zu vögeln, sollte er
sie nicht vielleicht einfach handfest brüskieren? Um seine Aufmerksamkeit
weiter auf Sarah zu richten und von der magnetischen Caitlyn fernzuhalten, zog
er die Dose Skoal hervor,
die er gekauft hatte, um seiner Lunge eine Pause von Zigaretten zu gönnen, und
schob sich einen dicken Priem zwischen Zahnfleisch und Wange.
    «Kann ich
das auch probieren?», sagte die kühn gewordene Sarah.
    «Davon
wird dir schlecht.»
    «Aber halt
ein Bröckchen?»
    Katz
schüttelte den Kopf und steckte die Dose wieder weg, woraufhin Sarah fragte,
ob sie mal mit dem Druckluftnagler feuern dürfe. Sie war wie eine wandelnde
Reklame für die neueste Erziehungsmethode, die ihr zuteilgeworden war: Du hast
die Erlaubnis, nach Dingen zu fragen! Nur weil du nicht hübsch bist, heißt das
nicht, dass du sie nicht hast! Deine Gaben werden, wenn du nur mutig genug
bist, sie anzubieten, von jedermann gern angenommen! Auf ihre Weise war sie
ebenso ermüdend wie Caitlyn. Katz fragte sich, ob er mit achtzehn genauso
ermüdend gewesen war oder ob, so kam es ihm jetzt jedenfalls vor, seine Wut auf
die Welt - seine Vorstellung von der Welt als einem aggressiven Widersacher,
der seine Wut verdiente - ihn interessanter hatte sein lassen als diese jungen
Muster an Selbstwertgefühl.
    Er ließ
Sarah den Druckluftnagler abfeuern (sie kreischte von dessen Rückstoß auf und
ließ ihn fast fallen) und schickte sie dann ihrer Wege. Caitlyn war so effektiv
brüskiert worden, dass sie sich nicht einmal verabschiedete, sondern Zachary
einfach nach unten folgte. Katz schlenderte zum Oberlicht des großen
Schlafzimmers in der Hoffnung, einen Blick auf Zacharys Mutter zu erhaschen,
doch er sah nur das DUX-Bett, das Eric-Fischl-Gemälde und den Flachbildfernseher.
    Seine
Empfänglichkeit für Frauen über fünfunddreißig war Katz doch einigermaßen
peinlich. Es war traurig und ein wenig krank, wie sie auf seine verrückte und
immer

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