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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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keine Ahnung. Was macht ihr überhaupt
hier in dieser Gegend? Einen Verlobungsring kaufen?»
    «Ja, haha,
genau», sagte Joey. «Und was machst du hier?»
    Casey
fischte aus seiner Westentasche eine Uhr an einer Kette. «Ist cool, was? Die
hat mal dem Dad meines Dad gehört. Ich hab sie reinigen und reparieren lassen.»
    «Die ist
aber schön», sagte Connie. Sie beugte sich darüber, um sie zu bewundern,
während Casey zu Joey hin eine Grimasse des Zweifels und komischer Bestürzung
zog. Aus den diversen akzeptablen Kerl-zu-Kerl-Reaktionen, die ihm zur
Verfügung standen, wählte Joey ein verlegenes Grinsen, das auf jede Menge
Spitzensex, die irrationalen Ansprüche von festen Freundinnen, deren Gier nach
Schmuckgeschenken und so manches mehr verwies. Casey warf einen raschen
Kennerblick auf Connies nackte
Schultern und nickte weise. Der gesamte Austausch dauerte vier Sekunden, und Joey
war erleichtert darüber, wie einfach es selbst in einem
solchen Moment war, sich vor Casey als einen wie Casey auszugeben: sich
aufzuspalten. Es verhieß Gutes für sein Vermögen, am College ganz normal
weiterzumachen wie bisher.
    «Mensch,
ist dir in dem Anzug nicht warm?», sagte er.
    «In mir
fließt Südstaatenblut», sagte Casey. «Wir schwitzen nicht so wie ihr aus
Minnesota.»
    «Schwitzen
ist wunderbar», meinte Connie. «Ich schwitze gern im Sommer.»
    Das war
als Aussage für Casey offensichtlich zu intensiv. Er steckte die Uhr wieder in
die Tasche und sah die Straße entlang. «Wie auch immer», sagte er. «Wenn ihr
mal weggehen wollt oder so, dann meldet euch.»
    Als sie im
Fünf-Uhr-Strom der Angestellten auf der Sixth Avenue
wieder allein waren, fragte Connie Joey, ob sie etwas Falsches gesagt habe.
«War ich dir peinlich?»
    «Nein»,
sagte er. «Das ist der totale Trottel. Wir haben 35 Grad, und
er trägt einen Dreiteiler? Das ist der totale, aufgeblasene Trottel, und dann
noch diese blöde Uhr. Der wird schon wie sein Dad.»
    «Ich mache
den Mund auf, und heraus kommen eigenartige Sachen.»
    «Mach dir
da mal keine Sorgen.»
    «Ist es
dir peinlich, mich zu heiraten?»
    «Nein.»
    «Es hatte
für mich ein bisschen den Anschein. Ich sage ja nicht, dass es an dir liegt.
Ich will dich nur nicht vor deinen Freunden in Verlegenheit bringen.»
    «Du
bringst mich nicht in Verlegenheit», sagte er unwirsch. «Es ist nur so, dass
kaum einer meiner Freunde eine Freundin hat. Das macht meine Lage irgendwie
seltsam.»
    Da nun
hätte er mit einigem Grund erwarten können, dass sie einen kleinen Streit vom
Zaun brach oder versuchte, ihm per Flunsch oder Vorwurf ein eindeutigeres
Bekenntnis seines Heiratswunsches zu entlocken. Doch mit Connie ließ sich nicht
streiten. Unsicherheit, Argwohn, Eifersucht, Besitzansprüche, Paranoia - all
die unschönen Dinge, die seine Freunde, die, wie kurz auch immer, Freundinnen
gehabt hatten, so aufregten - waren ihr fremd. Ob ihr diese Empfindungen
tatsächlich abgingen oder ob eine mächtige animalische Intelligenz sie
veranlasste, sie zu unterdrücken, das konnte er nicht feststellen. Je mehr er
mit ihr verschmolz, desto stärker wurde auch das sonderbare Gefühl, dass er
nicht die leiseste Ahnung von ihr hatte. Sie nahm nur das zur Kenntnis, was
unmittelbar vor ihr lag. Tat, was sie eben tat, reagierte auf das, was er zu
ihr sagte, und schien darüber hinaus vollkommen unbelastet von Dingen, die sich
außerhalb ihres Blickfelds ereigneten. Ihm ging noch nach, dass seine Mutter
darauf beharrt hatte, Streitereien seien gut für eine Beziehung. Und wirklich,
fast sah es für ihn so aus, als heiratete er Connie, um herauszufinden, ob sie
am Ende doch noch mit ihm streiten würde: um sie kennenzulernen. Doch als er
sie am Nachmittag darauf tatsächlich heiratete, änderte sich rein gar nichts.
Auf der Rückbank des Taxis, das sie vom Standesamt wegbrachte, verschränkte sie
ihre beringte linke Hand mit seiner und lehnte auf eine Weise, die sich nicht
ganz als Zufriedenheit beschreiben ließ, weil das bedeutet hätte, dass sie
zuvor unzufrieden gewesen wäre, den Kopf an seine Schulter. Es war eher so
etwas wie ein stummes Sichergeben in die Tat, den Frevel, der begangen werden
musste. Als Joey Casey das nächste Mal sah, eine Woche später in Charlottesville, erwähnte keiner der beiden sie mit einem Wort.
     
    Der
Ehering steckte noch immer irgendwo in seinem Unterleib, als Joey sich durch
das wogende warme Meer von Reisenden am Miami International drängte und Jenna
in der kühleren, ruhigen

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