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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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los, hm?»
    «Ich
kann's mir nicht erklären. Ist mir wirklich peinlich.»
    «Ha,
willkommen in meiner Welt auf Cipralex.»
    Nachdem
sie eingeschlafen war und schon leise Schnarchgeräusche von sich gab, lag er
noch kochend vor Scham und Reue und Heimweh da. Er war sehr, sehr enttäuscht
von sich, obwohl er nicht hätte sagen können, warum genau es ihn so
enttäuschte, darin versagt zu haben, eine Frau zu vögeln, in die er nicht
verliebt war und die er nicht einmal besonders mochte. Er dachte an seine
Eltern, die so heldenhaft all die Jahre beieinander geblieben waren, an das
gegenseitige Sich-Brauchen, das noch ihrem schlimmsten Streit zugrunde lag. Er
sah die Achtung seiner Mutter vor seinem Vater in einem neuen Licht und verzieh
ihr ein klein wenig. Es war bedauerlich, jemanden brauchen zu müssen, ein
Beweis bitterer Weichheit, doch sein Ich schien ihm nun zum ersten Mal doch
nicht unbegrenzt zu allem fähig, doch nicht für jedes Ziel, das er sich
vorgenommen hatte, zu hundert Prozent verbiegbar zu sein.
    Im ersten
Morgenlicht der südlichen Hemisphäre erwachte er mit einer gewaltigen Latte, an
deren Dauerhaftigkeit er nicht den Hauch eines Zweifels hatte. Er setzte sich
auf und schaute auf das Gewirr von Jennas Haaren, ihre leicht offen stehenden
Lippen, den zarten, flaumigen Schwung ihres Kiefers, ihre fast heilige
Schönheit. Jetzt, da das Licht besser war, konnte er es nicht fassen, wie dumm
er im Dunkeln gewesen war. Er glitt unter die Decke zurück und stupste sie
sachte ins Kreuz.
    «Lass
das!», sagte sie sogleich laut. «Ich versuche, wieder einzuschlafen.»
    Er drückte
die Nase zwischen ihre Schulterblätter und sog ihren Patschuliduft ein.
    «Im
Ernst», sagte sie und schnellte von ihm weg. «Was kann ich dafür,
dass wir bis drei wach waren.»
    «Es war
nicht drei», murmelte er.
    «Hat sich
aber so angefühlt. Wie fünf!»
    «Jetzt ist
es fünf.»
    «Aaaah! Nicht
sagen! Ich muss schlafen.»
    Endlos
lange lag er da, überwachte manuell seine Latte, bemühte sich, sie
einigermaßen aufrecht zu halten. Von draußen kamen Gewieher, fernes Scheppern,
das Krähen eines Hahns, die ländlichen Laute von überall. Während Jenna
weiterschlief oder nur so tat, kündigte sich in seinen Eingeweiden ein Aufruhr
an. Gegen seinen größten Widerstand steigerte sich der Aufruhr, bis er eine
Dringlichkeit erreichte, die alle anderen in die Schranken wies. Er tappte ins
Bad und verriegelte die Tür. Bei seinem Rasierzeug war eine Küchengabel, die er
für die äußerst unangenehme Aufgabe, die ihm bevorstand, mitgebracht hatte. Er
hockte da und hielt sie mit schwitzender Hand umklammert, während die Scheiße
aus ihm herausglitt. Es war eine Menge, die von zwei, drei Tagen. Durch die Tür
hörte er das Klingeln des Telefons, der Weckruf für halb sieben.
    Auf dem
kühlen Fußboden kniend, spähte er auf die vier großen Würste, die in der
Schüssel schwammen, hoffte, sofort Gold schimmern zu sehen. Die älteste Wurst
war dunkel, fest und knotig, die anderen, von tiefer drinnen, waren blasser und
schon ein wenig in Auflösung begriffen. Zwar mochte er wie jeder Mensch
insgeheim den Geruch der eigenen Fürze, aber der seiner Scheiße war etwas
anderes. Er war so schlimm, dass er eine geradezu moralische Schlechtigkeit
besaß. Joey stach mit der Gabel in eine der weicheren Würste, versuchte, sie zu
drehen, um die Unterseite zu begutachten, doch sie knickte ab und bröckelte,
sodass sie das Wasser braun färbte, und da erkannte er, dass das mit der Gabel
eine Wunschphantasie gewesen war. Bald würde das Wasser zu trübe sein, um
darin einen Ring zu sehen, und wenn der Ring sich erst aus der ihn
umschließenden Substanz gelöst hatte, würde er auf den Boden absinken und womöglich
noch in den Abfluss gelangen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als jede Wurst
einzeln herauszunehmen und abzutasten, und es musste schnell gehen, bevor alles
zu vollgesogen war. Mit angehaltenem Atem und heftigst tränenden Augen ergriff
er die aussichtsreichste Wurst und ließ seine letzte Phantasie fahren, dass
nämlich eine Hand genügen würde. Er musste beide Hände nehmen, eine, um die
Scheiße festzuhalten, die andere, um darin herumzuwühlen. Er würgte einmal
trocken und machte sich an die Arbeit, stieß die Finger in den weichen,
körperwarmen und verblüffend leichtgewichtigen Klumpen Exkrement.
    Jenna
klopfte an die Tür. «Was ist denn dadrin los?»
    «Einen
Moment!»
    «Was
machst du dadrin? Wichsen?»
    «Ich
sagte, einen

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