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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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wir
erledigt.»
    Sie
nickte. «Gut.»
    «Außer
dass ich dich nie mehr wiedersehen will. Ich möchte nie wieder im selben Raum
mit dir sein. Ich will den Namen dieses Menschen nie wieder hören. Ich will mit
keinem von euch beiden je wieder etwas zu tun haben. Nie mehr. Ich will allein
sein, damit ich darüber nachdenken kann, wie ich mein ganzes Leben damit vergeudet
habe, dich zu lieben.»
    «Ja, ist
gut», sagte sie, wieder nickend. «Oder vielmehr, nein? Nein, ich bin nicht
einverstanden damit.»
    «Das ist
mir egal.»
    «Ich weiß.
Aber hör mir zu.» Sie schniefte heftig, fasste sich und stellte ihren
Kaffeebecher auf den Boden. Die Tränen hatten ihren Blick weich gemacht und
ihre Lippen rot, was sie sehr schön aussehen ließ, wenn man auf ihre Schönheit
Wert legte, was Walter nicht mehr tat. «Es war nie meine Absicht, dass du das
liest», sagte sie.
    «Was macht
es dann verdammt nochmal in meinem Haus, wenn du das nie beabsichtigt hast?»
    «Ob du es
glaubst oder nicht, es ist die Wahrheit. Es war eben etwas, was ich für mich
selber schreiben musste, in der Hoffnung, dass es mir dadurch bessergeht. Walter,
es war ein Therapieprojekt . Ich habe es gestern Abend Richard gegeben,
als Erklärung dafür, dass ich bei dir geblieben bin. Immer bei dir
geblieben bin. Immer noch bei dir bleiben will. Ich
weiß, da stehen Sachen drin, die schrecklich für dich sein müssen, wie
schrecklich, kann ich mir kaum vorstellen, aber es stehen auch noch andere Sachen
drin. Ich habe es geschrieben, als ich depressiv war, und es ist voll von den
schlimmen Dingen, die ich in dieser Zeit empfunden habe. Aber dann ist es mir
endlich bessergegangen. Besonders nach dem, was neulich Abend passiert ist - da
ging's mir besser! Als hätten wir endlich eine Art Durchbruch geschafft! Hast
du das nicht auch so empfunden?»
    «Ich weiß
nicht, was ich da empfunden habe.»
    «Ich habe
auch nette Sachen über dich geschrieben, meinst du nicht? Viel, viel mehr nette
Sachen als nicht nette? Wenn du es objektiv betrachtest? Was du nicht kannst,
ich weiß, aber trotzdem, jeder außer dir könnte die netten Sachen sehen. Dass
du freundlicher zu mir warst, als ich je geglaubt hätte, es von jemandem zu verdienen.
Dass du der großartigste Mensch bist, dem ich je begegnet bin. Dass du und Joey
und Jessie mein ganzes Leben seid. Dass es
nur ein kleiner, schlechter Teil von mir war, der sich jemals, kurz und zu
einer richtig schlimmen Zeit in meinem Leben, anderswo umgesehen hat.»
    «Du hast
recht», krächzte er. «Irgendwie habe ich das alles übersehen.»
    «Es ist
aber da, Walter! Vielleicht wirst du dich, wenn du später darüber nachdenkst,
erinnern, dass es da ist.»
    «Ich habe
nicht die Absicht, weiter darüber nachzudenken.»
    «Nicht
jetzt, später. Selbst wenn du dann immer noch nicht mit mir sprechen willst,
vielleicht kannst du mir dann wenigstens ein bisschen verzeihen.»
    Das Licht
in den Fenstern wurde jäh dunkler, eine Frühlingswolke zog vorüber. «Du hast
mir das Schlimmste angetan, was du mir überhaupt antun konntest», sagte er.
«Das All erschlimmste,
und du hast genau gewusst, dass es das Schlimmste ist, und du hast es trotzdem
getan. Über welchen Teil davon sollte ich wohl noch nachdenken wollen?»
    «Ach, es tut
mir so leid», sagte sie und weinte aufs Neue. «Es tut mir so leid, dass du es
nicht so sehen kannst wie ich. Es tut mir so leid, dass es passiert ist.»
    «Es ist
nicht . Du hast es getan. Du hast
diesen miesen Scheißkerl gefickt, der mir das auf den Schreibtisch gelegt hat.»
    «Aber
Herrgott, Walter, es war doch bloß Sex.»
    «Du hast
ihm Dinge über mich zu lesen gegeben, die du mich niemals hättest lesen
lassen.»
    «Bloß
blöder Sex vor vier Jahren. Was ist das denn, verglichen mit unserem ganzen
Leben?»
    «Sieh
mal», sagte er und stand auf. «Ich will dich nicht anbrüllen. Nicht, wenn
Jessica im Haus ist. Aber du musst mir dabei helfen, indem du über das, was du
getan hast, nicht unaufrichtig bist, sonst brülle ich dich dermaßen zusammen.»
    «Ich bin
nicht unaufrichtig.»
    «Das ist
mein Ernst», sagte er. «Ich brülle dich nicht an. Ich verlasse jetzt dieses
Zimmer, und danach will ich dich nicht mehr sehen. Und da haben wir ein
kleines Problem, weil ich in diesem Haus arbeiten muss und es für mich deshalb nicht einfach ist, selber auszuziehen.»
    «Ich weiß
ja, ich weiß», sagte sie. «Ich muss gehen,
schon klar. Ich warte, bis Jessie weg ist,
dann verschwinde ich aus deinem

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