Franzen, Jonathan
liebte Carters
unkorrigierte Zähne, seine aufrichtige Bescheidenheit, sein geschicktes
Petting, seine Geduld mit ihr. Carter hatte viele wunderbare Eigenschaften, das muss man wirklich sagen! Ob er ihr nun
einen quälend zärtlichen technischen Fingerzeig beim Sex gab oder ihr gestand,
er habe nicht die geringste Vorstellung, was beruflich einmal aus ihm werden
solle («Wahrscheinlich eigne ich mich am besten als eine Art stiller
Erpresser»), immer war seine Stimme weich und gedämpft und selbstkritisch - der
arme, verdorbene Carter hatte keine gute Meinung von sich als Teil der
Menschheit.
Patty
hingegen behielt ihre gute, gefährlich gute Meinung von ihm bis zu jenem
Samstagabend im April, als sie aus Chicago zurückkam, wo sie und Trainerin
Treadwell an der nationalen Siegerehrung mit festlichem Mittagessen
teilgenommen hatten (Patty war als Spielmacherin in das Team der zweitbesten
Spielerinnen gewählt worden), und zwar mit einem früheren Flug als geplant,
weil sie Carter überraschen wollte, der aus Anlass seines Geburtstags eine
Party gab. Von der Straße aus konnte sie in seiner Wohnung Licht brennen sehen,
aber sie musste viermal klingeln, und die Stimme, die sie schließlich durch die
Gegensprechanlage hörte, war Elizas.
«Patty? Bist du
nicht in Chicago?»
«Ich bin
früher zurückgekommen. Mach auf.»
Es
knisterte in der Sprechanlage, und dann blieb es so lange still, dass Patty
noch zwei weitere Male klingelte. Nach einer Weile kam Eliza, in Keds und
Lammfellmantel, die Treppe heruntergepoltert und riss die Tür auf. «Hallo,
hallo, hallo!», sagte sie. «Na, das ist ja eine Überraschung!»
«Warum
hast du mich nicht reingelassen?», sagte Patty.
«Ich weiß
nicht, ich dachte, ich komm lieber zu dir runter, da oben ist der Teufel los,
also, da dachte ich mir, ich komm lieber runter, dann können wir besser reden.»
Eliza hatte leuchtende Augen und fuchtelte mit den Händen. «Da oben sind eine
Menge Drogen im Spiel, lass uns
woandershin gehen, ich freu mich ja so, dich zu sehen, ich meine, hey, hallo!
Wie geht's dir? Wie war's in Chicago? Wie war das Festessen?»
Patty zog
die Stirn kraus. «Das heißt, ich kann jetzt nicht raufgehen und meinen Freund
sehen?»
«Na ja,
nein, aber, nein, aber - deinen Freund? Das ist doch irgendwie ein ziemlich
starkes Wort, oder? Ich dachte, es ist bloß Carter. Ich meine, ich weiß schon, dass
du ihn magst, aber -»
«Wer ist
noch da oben?»
«Ach, na
ja, ein paar andere.»
«Wer?»
«Kennst du
alle nicht. Hey, lass uns woandershin gehen, okay?»
«Wer denn
zum Beispiel?»
«Er
dachte, du kommst erst morgen wieder. Seid ihr beide nicht morgen zum Essen
verabredet?»
«Ich bin
extra früher zurückgeflogen, um ihn zu sehen.»
«O mein
Gott, du bist doch nicht etwa in ihn verliebt, oder? Wir müssen uns wirklich
mal darüber unterhalten, wie du dich besser schützen kannst, ich dachte, ihr
zwei hättet einfach nur ein bisschen Spaß miteinander, ich meine, du hast ihn
kein einziges Mal genannt, und ich sollte das doch
wissen, oder? Wenn du mir nicht alles erzählst, kann ich dich auch nicht
beschützen. Du hast schon irgendwie gegen eine unserer Regeln verstoßen,
findest du nicht?»
«Du hast
meine Regeln auch nicht befolgt», sagte Patty.
«Weil,
also, ich schwör's dir, es ist nicht so, wie du denkst. Ich bin deine Freundin.
Aber da ist noch jemand, und für den gilt das eindeutig nicht.»
«Ein Mädchen?»
«Pass auf,
ich sorge dafür, dass sie abhaut. Wir schicken sie weg, und dann können wir zu
dritt weiterfeiern.» Eliza kicherte. «Er hat richtig richtig richtig
erstklassiges Koks zum Geburtstag bekommen.»
«Moment
mal. Ihr seid bloß zu dritt? Das ist die Party?»
«Es ist so
gut, so gut, du musst es unbedingt probieren. Deine Saison ist doch vorbei,
stimmt's? Wir schicken sie weg, und dann kannst du raufkommen und mitfeiern.
Oder wir gehen zu mir, nur du und ich, ich meine, wenn du kurz wartest, hole
ich ein bisschen Stoff, und wir gehen zu mir. Du musst es unbedingt probieren.
Du weißt nicht, wovon ich rede, bevor du's nicht probiert hast.»
«Carter
mit einer anderen hierlassen und mir mit dir irgendwo anders harte Drogen
reinziehen. Das ist ja ein ganz toller Plan.»
«0 Gott,
Patty, es tut mir so leid. Es ist anders, als du denkst. Er wollte tatsächlich
eine Party machen, aber dann hat er das Koks bekommen und seine Pläne ein
bisschen geändert, und dann stellte sich raus, dass er mich nur dabeihaben
wollte,
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