Franzen, Jonathan
weil die andere sonst nicht gekommen wäre.»
«Du
hättest gehen können», sagte Patty.
«Wir waren
schon mitten dabei, also, wenn du's mal probieren würdest, könntest du
verstehen, warum ich nicht gegangen bin. Ich schwöre dir, das ist der einzige
Grund, warum ich hier bin, einen anderen gibt's nicht.»
Der Abend
endete nicht, wie es wohl angemessen gewesen wäre, mit einer Abkühlung oder gar
Aufkündigung ihrer Freundschaft zu Eliza, sondern damit, dass Patty Carter
abschwor und sich bei Eliza dafür entschuldigte, ihr nicht genug über ihre
Gefühle für ihn anvertraut zu haben, während Eliza sich dafür entschuldigte,
dass sie nicht besser auf sie aufgepasst hatte, und ihr versprach, in Zukunft Pattys Regeln besser zu befolgen und keine harten Drogen mehr zu nehmen.
Heute ist der Autobiographin klar, dass ein williges Zweiergespann und ein
weißer Pulver-Ameisenhügel auf dem Nachttisch genau Carters Vorstellungen von
einem exzeptionellen Geburtstagsgeschenk an sich selbst entsprochen haben
mussten. Aber Eliza war vor lauter Reue und Sorge so verzweifelt, dass sie
Patty mit großer Überzeugungskraft belog, und gleich am nächsten Morgen, bevor
Patty auch nur eine einzige Stunde lang über alles hätte nachdenken und
schlussfolgern können, dass ihre vermeintlich beste Freundin irgendetwas nicht
ganz Koscheres mit ihrem vermeintlichen Freund angestellt hatte, tauchte Eliza
völlig außer Atem in Joggingklamotten oder dem, was sie für Joggingklamotten
hielt (einem Lena-Lovitch-T-Shirt, knielangen Boxershorts, schwarzen Socken,
Keds), vor der Tür von Pattys Vierer-WG
auf, um zu berichten, sie sei gerade dreimal die Vierhundertmeterrunde
gelaufen, und Patty zu beknien, sie solle ihr ein paar Gymnastikübungen beibringen.
Sie brannte darauf, sich jeden Abend gemeinsam mit Patty über die Lehrbücher zu
beugen, brannte für Patty und vor Angst, sie zu verlieren; und Patty, der auf
schmerzhafte Weise die Augen geöffnet worden waren, was Carters Wesen betraf,
machte sie vor Elizas Wesen
einfach wieder zu.
Eliza
wiederum erhielt ihre aggressive Ganzfeldverteidigung aufrecht, bis Patty sich
einverstanden erklärte, den Sommer über mit ihr in Minneapolis zusammenzuwohnen, worauf sie sich wieder rarer machte und das Interesse
an der Fitness verlor. Patty verbrachte einen Großteil des heißen Sommers
allein in einer von Kakerlaken wimmelnden Wohnung zur Untermiete in Dinkytown,
mit der Folge, dass sie sich selber leidtat und erheblich an Selbstbewusstsein
einbüßte. Sie konnte nicht verstehen, warum Eliza so wild darauf aus gewesen
war, mit ihr zusammenzuwohnen, wo sie doch meistens erst gegen zwei Uhr morgens
oder überhaupt nicht nach Hause kam. Eliza schlug ihr zwar andauernd vor, neue
Drogen auszuprobieren, auf Konzerte zu gehen oder sich wieder jemanden fürs
Bett zu suchen, aber Patty hatte von Sex vorübergehend und von Drogen und
Zigarettenrauch auf Dauer die Nase voll. Außerdem reichte ihr Sommerjob im
Fachbereich Sport kaum aus, um die Miete zu bezahlen, und sie weigerte sich, es
Eliza gleichzutun und ihre Eltern um Geldspritzen zu bitten, weshalb sie sich
zunehmend fehl am Platz und einsam fühlte.
«Warum
sind wir überhaupt Freundinnen?», sagte sie schließlich eines Abends, als
Eliza sich wieder einmal für irgendeine Unternehmung aufbrezelte.
«Weil du
brillant und schön bist», sagte Eliza. «Du bist mir von allen Menschen auf der
Welt am liebsten.»
«Ich bin
Sportlerin. Ich bin langweilig.»
«Nein! Du
bist Patty Emerson, und wir wohnen zusammen, und das ist wunderbar.»
Das waren
wirklich ihre Worte, die Autobiographin erinnert sich lebhaft daran.
«Aber wir machen ja nie
etwas zusammen», sagte Patty. «Was möchtest du denn machen?»
«Ich habe
schon überlegt, eine Zeitlang zu meinen Eltern zu fahren.»
«Was? Soll
das ein Witz sein? Du magst sie doch gar nicht! Bleib mal schön hier.»
«Aber du
bist doch praktisch jeden Abend weg.»
«Na gut,
dann lass uns mehr zusammen machen.»
«Aber du
weißt doch, dass ich zu den Dingen, die du machst, keine Lust habe.»
«Dann
gehen wir eben ins Kino. Jetzt sofort. Was willst du sehen? Days of Heaven?»
Und damit
begann Eliza erneut mit ihrer aggressiven Ganzfeldverteidigung, die gerade
lange genug anhielt, um Patty über den Sommer zu bringen und sicherzustellen,
dass sie nicht floh. Während dieser dritten Flitterwochen der Double Features
und Weinschorlen und bis zur Abnutzung der Rillen abgespielten Blondie-Alben
hörte Patty
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