Franzen, Jonathan
ein paar Nächte pennen.»
Der
Künstler trug billige, schlabberige Unterhosen. «Wir haben heute angefangen,
das Zimmer zu isolieren», sagte er. «Es ist ziemlich feucht. Herrera hatte doch
irgendwas vom Wochenende gesagt?»
«Hat er
euch nicht gestern angerufen?»
«Doch. Ich
hab ihm klargemacht, dass das freie Zimmer im Moment ein totaler Saustall
ist.»
«Kein
Problem. Wir sind für alles dankbar. Ich muss noch Zeug
aus dem Auto holen.»
Da Patty
nicht in der Lage war, irgendetwas zu tragen, bewachte sie das Auto, während
Richard es nach und nach ausräumte. In dem Zimmer, das man ihnen zur Verfügung
stellte, roch es durchdringend nach etwas, das sie, jung, wie sie war, weder
als Trockenbauspachtel identifizieren noch anheimelnd und tröstlich finden
konnte. Licht kam nur von einer grellen Aluminiumleuchte, die an einer mit
Spachtelmasse bekleckerten Leiter klemmte.
«Mannomann»,
sagte Richard. «Lassen die den Trockenbau hier von Schimpansen machen, oder
was?»
Unter
einem staubigen, ebenfalls mit Spachtelmasse gesprenkelten Haufen Abdeckplanen
lag eine nackte, rostfleckige Doppelbettmatratze.
«Entspricht
nicht ganz deinen gewohnten Sheraton-Maßstäben, nehm ich mal an», sagte
Richard.
«Gibt es
auch Bettzeug?», sagte Patty zaghaft.
Er
stöberte im Gemeinschaftsraum der Wohnung herum und kam mit einer Wolldecke,
einem indischen Bettüberwurf und einem Samtkissen zurück. «Du schläfst hier»,
sagte er. «Drüben ist eine Couch, die kann ich nehmen.»
Sie warf
ihm einen fragenden Blick zu.
«Es ist
spät», sagte er. «Du musst schlafen.»
«Bist du
sicher? Hier ist Platz genug. Eine Couch ist doch bestimmt zu kurz für dich.»
Sie konnte
kaum noch aus den Augen gucken, aber sie wollte ihn und hatte auch die nötige
Ausrüstung dabei, und ihr Instinkt sagte ihr, dass sie es besser gleich über
die Bühne brachte, damit es ein für alle Mal in den Büchern stand, bevor sie
Zeit haben würde, zu viel darüber nachzudenken und es sich anders zu überlegen.
Und es sollte Jahre, ja fast ein halbes Leben dauern, bis sie den Grund erfuhr,
den ziemlich verwirrenden Grund, warum Richard sich in jener Nacht plötzlich
wie ein Gentleman verhielt. Damals, auf der spachtelfeuchten Baustelle, konnte
sie nur annehmen, dass sie sich irgendwie in ihm getäuscht oder ihm die Lust
ausgetrieben hatte, weil sie ihm so auf den Wecker gefallen und beim Tragen
seines Zeugs nicht zu gebrauchen gewesen war.
«Da draußen
ist so was Ähnliches wie ein Bad», sagte er. «Vielleicht hast du mehr Glück
als ich und findest einen Lichtschalter.»
Sie warf
ihm einen verlangenden Blick zu, von dem er sich rasch, entschlossen, abwandte.
Das Überraschende daran und der Stich, den es ihr versetzte, die Anstrengung
der Fahrt, die Strapazen der Ankunft, die Trostlosigkeit des Zimmers: Sie
löschte das Licht, legte sich in ihren Kleidern auf die Matratze und weinte
lange und möglichst unhörbar, bis ihre Enttäuschung sich in Schlaf auflöste.
Am
nächsten Morgen, nachdem sie um sechs Uhr von grausamem Licht geweckt und
danach zunehmend sauer geworden war, weil sie stundenlang warten musste, bis
sich irgendwer sonst in der Wohnung regte, fiel sie ihm tatsächlich auf den
Wecker. Der ganze Tag war in puncto Umgänglichkeit so etwas wie ein Tiefpunkt
ihres Lebens. Herreras Freunde waren grobschlächtige Kerle, die dafür sorgten,
dass sie sich winzig klein fühlte, weil sie ihre hippen kulturellen
Anspielungen nicht verstand. Sie gaben ihr drei kurze Chancen, sich zu
beweisen, woraufhin sie sie gnadenlos ignorierten und dann zu Pattys Erleichterung zusammen mit Richard die Wohnung verließen, der kurze
Zeit später mit einer Schachtel Doughnuts zum
Frühstück allein zurückkam.
«Ich nehme
mir heute das Zimmer vor», sagte er. «Macht mich krank, was die hier für einen
Scheiß fabrizieren. Willst du nicht vielleicht ein bisschen schmirgeln?»
«Ich
dachte eigentlich, wir könnten an den See fahren oder so was. Ich meine, es ist
so heiß hier drinnen. Oder vielleicht in ein Museum gehen?»
Er sah sie
ernst an. «Du willst ins Museum.»
«Nur um
mal rauszukommen und was von Chicago zu sehen.»
«Das
können wir später noch machen. Magazine spielt heute Abend. Kennst du
Magazine?»
«Ich kenne
gar nichts. Ist das nicht deutlich geworden?»
«Du bist
schlecht gelaunt. Du willst hier weg.»
«Ich will
gar nichts.»
«Wenn wir
das Zimmer fertig kriegen, schläfst du heute Nacht besser.»
«Ist mir
egal. Zum Schmirgeln
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