Franzen, Jonathan
das R etwas wackelig, aber hochaufragend in seinem
Trotz.
«Mein
erster Akt der Rebellion», sagte Walter.
«Wie alt
warst du da?», sagte Patty.
«Keine
Ahnung. Vielleicht zehn. Mein kleiner Bruder hatte schweres Asthma.»
Draußen
regnete es jetzt stark. Dorothy schlief in
ihrem Zimmer, aber Walter und Patty waren von ihrem Verlangen nacheinander
immer noch ganz aufgekratzt. Er zeigte ihr die «Lounge», die sein Vater
betrieben hatte, den imposanten ausgestopften Glasaugenbarsch an der Wand, die
Birkenholzbar, bei deren Bau er seinem Vater zur Hand gegangen war. Noch vor
kurzem, bis zu seiner Einweisung ins Krankenhaus, hatte Gene jeden
Spätnachmittag rauchend und trinkend hinter dieser Bar gestanden und darauf
gewartet, dass seine Freunde Feierabend hatten und Leben in die Bude brachten.
«Tja, also
das hier bin ich», sagte Walter. «Hier komme ich her.»
«Ich finde
es unglaublich schön, dass du hierherkommst.»
«Ich weiß
zwar nicht genau, was du damit meinst, aber egal.»
«Einfach,
dass ich dich sehr bewundere.»
«Das ist
gut. Glaube ich.» Er ging zum Empfangstresen und betrachtete die Schlüssel.
«Was hältst du von Zimmer 21?»
«Ist es
ein schönes Zimmer?»
«Nicht
viel anders als alle anderen.»
«Ich bin
einundzwanzig Jahre alt. Also ist es perfekt.»
Im Zimmer
21 gab es lauter ausgeblichene und abgeschabte Flächen, die nie renoviert,
sondern Jahrzehnten des energischen Scheuerns unterzogen worden waren. Die
Bachfeuchtigkeit war spürbar, aber nicht überwältigend. Zwei Betten, niedrig
und in Standardbreite, kein Doppelbett.
«Du musst
nicht bleiben, wenn du es nicht willst», sagte Walter, als er ihre Tasche
abstellte. «Ich kann dich morgen früh wieder zum Busbahnhof bringen.»
«Nein! Ist
doch alles gut. Ich will hier ja nicht meinen Urlaub verbringen. Ich will bei
dir sein und ein bisschen aushelfen.»
«Schön.
Ich mache mir nur Sorgen, dass ich nicht das bin, was du dir wünschst.»
«Ach was,
hör auf, dir Sorgen zu machen.»
«Ich mache
mir aber trotzdem welche.»
Sie
brachte ihn dazu, sich auf eins der Betten zu legen, und versuchte, ihn mit
ihrem Körper zu beruhigen. Aber schon bald kochte seine Sorge wieder hoch. Er
setzte sich auf und fragte sie, warum sie mit Richard mitgefahren sei. Eine
Frage, die er, so hatte sie sich zu hoffen gestattet, nicht stellen würde.
«Ich weiß
es nicht», sagte sie. «Wahrscheinlich wollte ich einfach mal ausprobieren, wie
eine Autotour so ist.»
«Hm.»
«Es gab da
etwas, das ich verstehen musste. Anders kann ich es nicht erklären. Ich musste
etwas herausfinden. Und ich habe es herausgefunden; und jetzt bin ich hier.»
«Was hast
du denn herausgefunden?»
«Wo ich
sein will, und mit wem.»
«Das ging
aber schnell.»
«Es war
ein dummer Fehler», sagte sie. «Er hat so eine Art, einen anzusehen, das weißt
du doch sicher. Dann dauert es eine Weile, bis man begreift, was man wirklich
will. Bitte wirf mir das nicht vor.»
«Ich bin
nur beeindruckt, dass es dir so schnell klargeworden ist.»
Sie
verspürte den Impuls zu weinen und gab ihm nach, und Walter zeigte sich eine
Weile von seiner besten Trösterseite.
«Er war
nicht nett zu mir», sagte sie unter Tränen. «Und du bist das Gegenteil davon.
Und das brauche ich im Augenblick so sehr. Kannst du bitte nett sein?»
«Kann
ich», sagte er und streichelte ihren Kopf.
«Ich
schwöre, dass du es nicht bereuen wirst.»
Das waren,
wie die Autobiographin sich reumütig erinnert, exakt ihre Worte.
Und hier
ist noch etwas, woran die Autobiographin sich lebhaft erinnert: die Heftigkeit,
mit der Walter sie dann an den Schultern packte und auf den Rücken rollte und
sich, über ihr aufragend, zwischen ihre Beine drängte, einen vollkommen fremden
Ausdruck im Gesicht. Es war ein Ausdruck des Zorns, und er stand ihm gut. Es
war, als ob sich plötzlich ein Vorhang teilt und etwas Schönes, Männliches
enthüllt.
«Das hat
nichts mit dir zu tun», sagte er. «Ist dir das klar? Ich
liebe alles an dir. Jeden Zentimeter von dir. Jeden Zentimeter. Seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Ist dir das klar?»
«Ja»,
sagte sie. «Ich meine, danke. Ich hatte das schon irgendwie gespürt, aber es
tut wirklich gut, das zu hören.»
Er war
allerdings noch nicht fertig.
«Verstehst
du, ich habe ein ... ein ...» Er suchte nach Worten. «Ein Problem. Mit Richard.
Ich habe da ein Problem.»
« Was für
ein Problem?»
«Ich
vertraue ihm nicht. Ich mag ihn sehr, aber ich vertraue ihm
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