Franziskus, der neue Papst (German Edition)
das in der Vergangenheit oft der Fall war. Sie muss die regionalen Gegebenheiten und Traditionen achten und zugleich das Evangelium deutlich verkünden, ohne einen gefährlichen Synkretismus zu akzeptieren. Die Kirche darf nicht aufhören, noch mehr ihrer caritativen Verantwortung nachzukommen. Ob das soziale Projekte sind, ob das Klöster oder Heime für Frauen und Mädchen sind, die vor der Zwangsheirat oder Polygamie fliehen. Die Kirche muss ihre Vergangenheit aufarbeiten, Verbrechen wie die Mittäterschaft von Priestern beim Genozid in Ruanda rückhaltlos aufklären. Sie muss den Spagat zwischen christlicher Lehre und der bitteren Situation von Aids-Infizierten meistern, der am Ende nur das Eintreten für die Kranken bedeuten kann, was Nonnen und Patres in eine mental belastende Situation bringt. Das sind gewaltige Ansprüche, die die Kirche in ethischen, sozialen und politischen Belangen herausfordern.
Warum trotz allem Afrika als »Hoffnung der Kirche«? Weil die geschilderten Beispiele erstens nicht überall Realität sind. Zweitens, weil die afrikanische Kirche eine dynamische und missionarische ist. Die Kirche wird rein demografisch gesehen ein mehr und mehr afrikanisches und damit ein junges Gesicht haben. Darin liegen Chancen, die in Europa nicht mehr zu finden sind. Der dritte Grund, weshalb die afrikanische Kirche wichtig für die »Una Sancta« ist, liegt in ihren Traditionen. So problematisch die eingangs angesprochene Vermischung sein kann, so gibt es doch Werte, die die Gemeinschaft der Kirche entscheidend stärken können. Die Stellung der Familie, das hohe Ansehen von älteren Menschen, das sind Werte, die einerseits im Westen in Vergessenheit zu geraten drohen und andererseits Modelle für die Kirche selbst sind. Die Kirche als Gemeinschaft baut auf der Familie als Keimzelle auf, das haben die vergangenen Päpste immer wieder betont. Insofern kann das afrikanische Familienleben inspirierend sein für eine Kirche, deren Zusammenhalt auf die Probe gestellt werden wird, die wie ein Schiff in rauer See segelt, um ein Bild Benedikts XVI. zu gebrauchen.
Der dritte Kontinent, der für die Kirche der Zukunft von hohem Interesse ist, ist Asien. Derzeit leben zwar nur etwa 10 Prozent aller Katholiken dort. Und die Gefälle zwischen den unterschiedlichen Ländern sind enorm. Während die Philippinen stark katholisch geprägt sind, spielt die Kirche in den meisten asiatischen Ländernkeine große Rolle. Die klassischen Religionen wie Buddhismus, Hinduismus oder Shintoismus sind zu stark verwurzelt, den Katholiken gelingt es nur schwer, Fuß zu fassen. Trotzdem geht auf Johannes Paul II. das Bonmot zurück, dass das 3. Jahrtausend das der Evangelisierung Asiens sein müsse. Besonders durch die wirtschaftliche Macht Asiens und des damit kontinuierlich steigenden Einflusses in der Welt wird die Bedeutung des größten Kontinents der Erde auch für die katholische Kirche zunehmen. Allerdings fällt es schwer, noch schwerer als bereits in Bezug auf Afrika, über »die« katholische Kirche Asiens zu sprechen. Die Situation in der Golfregion, von Ländern wie Saudi-Arabien oder gar Pakistan ganz zu schweigen, ist nicht zu vergleichen mit der in fernöstlichen Gebieten. In Südkorea nimmt die Zahl der Christen generell und auch die der Katholiken zu, das Leben in Pfarreien und Diözesen ist ungemein vital. Demgegenüber steht der Bruderstaat Nordkorea, in denen Christen brutal verfolgt werden. In Indien werden Christen von fanatischen Hindus gejagt, die Lage ist in den letzten Jahren regelmäßig eskaliert. Gründe dafür gibt es verschiedene, zum Beispiel sehen manche Fanatiker durch die Kirche das Kastenwesen bedroht. Tatsächlich sind die katholischen Welt- und Ordenspriester für die Dalits, die »Unberührbaren« oder »Kastenlosen«, ein unverzichtbarer Anker und Anlaufpunkt.
Eine Sondersituation erlebt die Kirche in China. Das dortige Regime instrumentalisiert einen Teil der Katholiken für ihre Zwecke und organisiert sie in einer offiziellen Staatskirche. Peking setzt sich dabei über die Anweisungen Roms hinweg, weiht Bischöfe, wie es ihm beliebt, und verhaftet andere, zur Untergrundkirche gehörende, willkürlich. Katholische Geistliche engagieren sich an sozialen Brennpunkten, Ordensschwestern pflegen Aids- oder Leprakranke. Von staatlicher Seite wird diese Arbeit toleriert, die Situation bleibt ambivalent. 2007 hat Benedikt XVI. einen Brief an die chinesischen Gläubigen geschrieben, ein seltener
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