Franziskus, der neue Papst (German Edition)
aus dem Motu proprio »Ubicumque et semper« von Benedikt XVI. Ein »Motu proprio« ist eine Form von päpstlichem Dokument, das der Pontifex aus eigenem Antrieb heraus (lat. »motu proprio«) publiziert. Es handelt sich dabei meist um besonders wichtige Anliegen, die den Heiligen Vater »antreiben«. Mit »Ubicumque et semper« formulierte Benedikt XVI. nicht nur ein besonderes Anliegen, sondern startete die vielleicht wichtigste Initiative seines Pontifikats, die Initiative zur »Neuevangelisierung«. Um ihr zum Erfolg zu verhelfen, schuf Benedikt XVI. gar eine eigene Behörde, den »Päpstlichen Rat zur Förderung der Neuevangelisierung«. Dieser Rat soll:
die theologische und pastorale Bedeutung der Neuevangelisierung vertiefen;
das Studium, die Verbreitung und die Anwendung des päpstlichen Lehramtes mit Bezug auf die mit der Neuevangelisierung verbundenen Themenkreise fördern;
Initiativen in Verbindung mit der Neuevangelisierung bekannt machen und unterstützen sowie die Verwirklichung neuer Initiativen fördern;
die Anwendung moderner Kommunikationsmittel als Instrumente einer Neuevangelisierung studieren und fördern;
den Gebrauch des Katechismus der katholischen Kirche fördern.
So lautet es fast wortgleich in den Statuten, die Benedikt XVI. selbst mit seinem Schreiben abgesegnet hatte. Das Einsatzgebiet ist ebenfalls angegeben, es seien die Länder der »Ersten Welt«, also »Regionen in früher Zeit erfolgter Christianisierung«. Dort müsse das Evangelium neu verkündet werden, »neu« im Sinne von »erneut« und auf »neue« Weise mit dem gleichen »alten« Inhalt. Denn der alte Inhalt ist für Benedikt XVI. die ewig aktuelle Botschaft von Jesu Christi. Sie in der Ersten Welt wieder zu verkünden, sei Voraussetzung für das »ständige« Fortschreiten von der evangelisierten hin zur evangelisierenden Kirche.
Diese Sätze klingen ambitioniert. Nur bleiben sie eben auch vage. Selbst der Begriff der »Neuevangelisierung« ist nicht eindeutig, hinter vorgehaltener Hand zeigten sich sogar Mitglieder des Rates mäßig begeistert über diesen Terminus. Maßnahmen und Initiativen gab es schon. Jedoch fehlt die große konkrete Linie. Ein Versuch Benedikt XVI., diese vorzugeben, war die Einberufung des »Jahr des Glaubens«, das ein großes Ja des Glaubens und Ja zum Glauben werden soll. Franziskus hat das Jahr und die damit verbundenen Termine von seinem Vorgänger geerbt. Darüber hinaus muss er nun eigene Akzente setzen, wie beispielsweise noch besser die Tatsache nutzen, dass in der »Ersten Welt« zunehmend Priester aus Ländern aktiv sind, die früher von jener »Ersten Welt« evangelisiert wurden und nun zurückkommen, um auf ihre Art das Evangelium zu verkünden.
Für Franziskus wird die Neuevangelisierung zum pastoralen Lackmustest seines Pontifikats. Nicht nur die Neuevangelisierung in der »Ersten Welt«, die Evangelisierung insgesamt. Das Erstarken von Pfingst- und Freikirchen besonders in Afrika und Lateinamerika fordert die Kirche massiv heraus. Diese Gegenden fallen nicht primär in das Einzugsgebiet dieser Neuevangelisierungsinitiative, die Herausforderung bleibt dennoch erhalten. Die Kirche wird versuchen müssen, ihre Verkündigung zu aktualisieren: spiritueller, aber nicht spiritistisch. Biblisch fundierter, aber nicht fundamentalistisch. Charismatischer, aber nicht sektenhaft. Das gilt besonders für die Regionen, in denen sich die Kirche im harten Konkurrenzkampf mit Evangelikalen, Pfingstlern und Freikirchlern befindet sowie in anderer Weise für die Neuevangelisierung in der »Ersten Welt«.
Franziskus kennt die Anforderungen aus seinem Heimatbistum in Argentinien und kann, mehr noch als bei anderen Aufgaben, direkt eingreifen. An erster Stelle als oberster Verkünder der christlichen Botschaft. Neuevangelisierung, das betont die Kirche, benötigt überzeugte Überzeuger. Ein Papst muss Zeugnis von der Botschaft Christi ablegen in einer überzeugenden Art und Weise, das ist gewissermaßen seine Einstellungsbedingung. Konkrete Initiativen müssen lanciert werden. Neuevangelisierung setzt erst bei der Kirche selbst an, um sie fit für die Verkündigung in einer sich wandelnden Zeit zu machen: »In dieser doppelten Dynamik der Evangelisierung und der Mission aber kommt der Kirche nicht nur die aktive Rolle als Subjekt der Verkündigung zu, sondern auch die reflexive Rolle des Zuhörens und der Jüngerschaft. Als Evangelisatorin beginnt die Kirche damit, sich selbst zu evangelisieren«,
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