Franziskus, der neue Papst (German Edition)
eine Enzyklika sein, die Benedikt XVI. bereits fast fertig hatte und die noch in der Trias aus »Glaube«, »Liebe« und »Hoffnung« fehlt. Mit einer Enzyklika über den Glauben könnte Franziskus ein Zeichen setzen, dass er Ja sagt zum Glauben und dieses Ja weitergeben will. Dass er gewillt ist, den Auftrag der Kirche und damit seinen Auftrag als Oberhaupt dieser Kirche auszuführen. Er könnte ein Aufbruchssignal setzen. Könnte bildlich gesprochen einen Hoffnungsschimmer am säkularen Horizont erscheinen lassen, könnte der Kirche einen neuen, modernen »Sonnengesang« geben. Denn klar ist: Franziskus wird mit einer Enzyklika und danach weiter mit Gebet und mit Tat dem nachkommen müssen, was bereits der erste und bedeutendste Evangelisierer der Antike, der Apostel Paulus, gesagt hat: »Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, kann ich mich deswegen nicht rühmen, denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!«
DRÄNGENDE FRAGEN: AIDS, HOMOSEXUALITÄT, ZÖLIBAT UND DIE ROLLE DER FRAU
88 Prozent. 88 Prozent aller deutschen Katholiken wollen laut einer ZDF-Umfrage, dass Priester heiraten dürfen. Ein Indikator, wie sehr der neue Papst Franziskus unter Reformdruck steht?
Die 88 Prozent sind es sicher nicht. Es mag den Deutschen nicht schmecken, war man doch gerade noch Papst. Doch 88 Prozent sind letztlich der hochgerechnete Wille von etwa 29 Millionen Katholiken, was wiederum knapp 0,02 Prozent der Gesamtkirche sind. Die deutsche Kirche neigt dazu, diese 0,02 Prozent für wichtiger als die restlichen 99,98 zu halten. Das ist aus pastoral-persönlicher Sicht sogar verständlich, da Ortskirche per Definition vor Ort und damit zu einem Großteil subjektiv empfunden wird. Doch ändert das nichts daran, dass eine Umfrage zur Abschaffung des Zölibats in der Weltkirche mit Sicherheit keine 88 Prozent ergeben würde.
Diese Einordnung ist für eine Diskussion wichtig, da sie die Perspektive weitet. Die Gemeinschaft der Gläubigen weltweit sieht die Zölibat-Debatte durchaus nicht als heißestes Eisen, als brennendsten Dorn im Fleisch. Das zu wissen, hilft in einer Diskussion – nur ersetzt es sie nicht. In der Minderheit zu sein, bedeutet ja nicht zwangsläufig, im Irrtum zu sein. Die Geschichte der Kirche ist dafür das beste Beispiel. Wäre der Prozentsatz der Menschen entscheidend gewesen, die die Berichte der Jünger von der Auferstehung Jesus geglaubt hätten, so hätte sich wohl kaum eine Urgemeinde in Jerusalem gebildet, um diese Auferstehung nicht nur zu glauben, sondern sie sogar zu bezeugen und zu verkünden. Deshalb sind 88 Prozent von über 30 Millionen kein Autoritätsargument im Sinne einer Mehrheitsmeinung. Aber sie sind doch ein Indiz, das durch andere gestützt werden kann. Die Aufhebung des Zölibats, der weder ein kirchliches Dogma noch ein biblischer Grundsatz ist, kann Gegenstand einer Diskussion sein. Dass diese Diskussion geführt wird, ist unvermeidlich. Wie, das kann hier nicht dargestellt werden, das würde zu weit führen. Benedikt XVI. jedenfalls hatte den Zölibat vehement verteidigt, beispielsweise beim Weltfamilientreffen im Juni 2012 in Mailand: »Diese drei Dinge – persönliche Vereinigung mit Gott, Wohl der Kirche, Wohl der gesamten Menschheit – sind keine unterschiedlichen und gegensätzlichen Dinge, sondern eine Symphonie des gelebten Glaubens. Leuchtendes Zeichen dieser Hirtenliebe und eines ungeteilten Herzens sind der priesterliche Zölibat und die geweihte Jungfräulichkeit.« Das ist die offizielle Haltung des Heiligen Stuhls, nicht jedoch automatisch Common Sense in der Kirche. Der Jesuit Karl Rahner, um nur ein Beispiel anzuführen, hatte bereits vor mehr als zwanzig Jahren geschrieben: »Wenn und insofern die Kircher in einer konkreten Situation eine genügende Anzahl solcher priesterlicher Gemeindeleiter ohne Verzicht auf die Zölibatsverpflichtung nicht finden kann, dann ist es selbstverständlich und gar keiner weiteren theologischen Diskussion mehr unterworfen, dass sie auf diese Zölibatsverpflichtung verzichten muss. «
Die bisherige Linie von Jorge Mario Bergoglio lässt vermuten, dass Franziskus nichts an der kirchlichen Position ändern wird. Inwieweit er zumindest Diskussion zulässt, über dieses Thema oder über andere, wie die Frauenordination, also die Weihe von Frauen zu Priesterinnen, wird sich weisen. In noch größerem Zusammenhang steht die grundsätzliche Frage nach der Stellung von Laien in der Kirche. Die
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