Franziskus, der neue Papst (German Edition)
europäische Kirche kann keine so klerikal geprägte Kirche bleiben, wie sie es bislang war. Sie kann es deshalb nicht, weil es ihre Gläubigen immer weniger verstehen und akzeptieren. Sie kann es aber auch aus pragmatischen Gründen nicht, vor allem aufgrund des Priestermangels. Dem zu begegnen, neuen Priesternachwuchs zu finden, die Zahl der Berufungen wieder zu heben, das sind gewaltige Herausforderungen. Der Priestermangel und der Gläubigenschwund ist natürlich ein strukturelles Problem. Wohin mit den Kirchen, was tun in den Pfarreien? Vor allem aber ist es ein pastorales Problem, das viele Fragen aufwirft: Soll die Kirche ihre Kräfte bündeln und konzentrieren und weg vom flächendeckenden Angebot gehen? Immer mitgedacht, dass es sich hierbei um eine Frage handelt, die im europäischen Kontext wichtig ist, im afrikanischen dagegen aufgrund der steigenden Mitglieder- und Berufungszahlen sich gar nicht erst stellt. Joseph Ratzinger hatte einst zum Thema der »Entweltlichung« auf Europa bezogen von der »kleinen Herde« geschrieben, auf die sich die Kirche in Europa zwangsläufig reduzieren werde, und versucht, dies als Chance zu begreifen: »Der Christ soll gerade auch ein fröhlicher Mensch unter Menschen sein können, ein Mitmensch, wo er nicht Mitchrist sein kann. […] So wird sich über kurz oder lang mit dem oder gegen den Willen der Kirche nach dem inneren Strukturwandel auch ein äußerer, zum pusillus grex, zur kleinen Herde vollziehen.« Die Erfahrungen Franziskus ’ in den lateinamerikanischen Basisgemeinden, in den Favelas können die vatikanische Politik bereichern – es wird sich zeigen, ob auch für ihn wie für seinen Vorgänger die »kleine Herde« eine Option ist oder nicht.
Wandel wird von Kritikern schon lange eingefordert, nicht nur in Bezug auf die Zölibats-Frage, sondern auch in Bezug auf andere, wie auf die Frage nach der Weihe von Frauen zu Priesterinnen. Dass Franziskus in dieser Hinsicht bahnbrechende Neuerungen einführen wird, ist unwahrscheinlich. Weltkirchlich gesehen ist das Thema der Priesterweihe von Frauen ungleich weniger kontrovers als in Deutschland. Hierzulande hatte kurz vor dem Konklave der einflussreiche Kardinal Walter Kasper, ältester aller Papstwähler, neu akzentuierte Ämter für Frauen in die Debatte eingebracht in Form einer rhetorischen Frage: »Könnte sie also heute angesichts neuer Herausforderungen nicht ein Amt für Frauen vorsehen, das nicht das des Diakons wäre, das vielmehr so wie damals ein eigenes Profil hätte? Könnte sie nicht, nicht durch sakramentale Handauflegung, sondern ähnlich wie bei der Äbtissinnenweihe durch eine Benediktion Frauen zum Amt einer Gemeindediakonin bestellen und zu pastoralen, caritativen, katechetischen und bestimmten liturgischen Diensten beauftragen? Auch ein solches Sakramentale hätte an der sakramentalen Grunddimension der Kirche teil, wenngleich nicht in derselben › Dichte ‹ wie ein Sakrament. Im Sinn der Tradition könnte man überlegen, diese Benediktion mit der Jungfrauenweihe zu verbinden.« Der Hoffnung, der neue Papst werde das Priestertum der Frau einführen, hat Kasper dagegen eine Abfuhr erteilt und steht damit in einer Linie mit den Kardinalskollegen aus aller Welt, die diesbezüglich keine Veränderungen am Horizont aufziehen sehen: »So konnte Papst Johannes Paul II. 1994 in dem Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis auf der Grundlage der ununterbrochenen Tradition erklären, dass die Kirche nach dem Vorbild Jesu Christi keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.«
Die gerade angesprochenen Fragen betreffen zunächst in erster Linie interne Angelegenheiten, die später freilich externes Gewicht erhalten, da sie sich auf die Rolle auswirken, die die Kirche in der Welt spielen will und spielen kann. Andere kontroverse Themen sind moralisch-ethische Fragen, die die Einstellung der Kirche beispielsweise zur Homosexualität, Abtreibung oder Aids betreffen. Darüber kann an dieser Stelle ebenso wenig diskutiert werden, wie keine ausführliche Argumentation zu Fragen des Zölibats oder der Frauenordination vorgelegt werden konnte. Auch andere alte Positionen werden sehr wahrscheinlich unangetastet bleiben, so das grundsätzliche »Nein« zur Abtreibung. Doch darf man davon ausgehen, dass Präzisierungen und Aktualisierungen während Franziskus ’ Pontifikat erfolgen werden, die
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