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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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Müttern ermahnt, sich nicht
schmutzig zu machen. Und einige ältere Menschen ließen
sich von ihren Angehörigen durch das offene Portal in die Kirche
führen, um auf den Bänken sitzend den Beginn des
Gottesdienstes zu erwarten.
    Wiedemann kam schnell
zur Sache. »Es ist so, wie ich vermutet hatte.
Französische Zigaretten sind zwar erhältlich, werden aber
in der Regel nur an die höheren Offiziersdienstgrade
ausgegeben. Mannschaften und Unteroffiziere müssen sich mit
den Produkten des Feindes begnügen.« Er grinste schief
und griff nach Goldsteins Arm. »Kommen Sie. Wir besuchen
einen der Polizeibeamten, die den Mord an der Treppmann untersucht
haben. Hauptwachtmeister Schäfer wohnt hier in der Nähe.
Seine Frau und die Kinder machen heute einen Verwandtenbesuch,
sodass wir uns unterhalten können. Ich habe unser Kommen
angekündigt. Er erwartet uns.«
    »Was haben Sie
ihm über mich erzählt?«
    »Sie sind ein
Kollege aus Essen, der solche und ähnliche Fälle für
Schulungszwecke der Polizei dokumentiert.«
    »Keine schlechte
Geschichte.«
    »Außerdem
habe ich ihm gesagt, dass Sie Müller
heißen.«
    »Müller?
Sehr originell.«
    »Nicht
wahr.« Wiedemann wandte sich zum Gehen.
    »Warten Sie
einen Moment. Eine Frage noch: Konnten Sie Fingerabdrücke auf
der Zigarettenschachtel finden?«
    »Ja. Sie wurden
sorgfältig untersucht. Mir wurde gesagt, sie stammen von zwei
unterschiedlichen Personen. Für eine Zuordnung fehlen
natürlich Vergleichsabdrücke.«
    Goldstein griff in
seine Tasche und reichte Wiedemann die Zündholzpackung, die
immer noch in sein Taschentuch eingewickelt war.
    »Hier haben Sie
den Fingerabdruck, den Sie brauchen. Sergeant Julian Solle war so
freundlich, ihn mir zu überlassen. Er raucht
Nil.«
    Der
Verwaltungssekretär sah ihn anerkennend an und verstaute das
Beweisstück sorgfältig in seiner Manteltasche. »Ich
werde mich darum bemühen«, sagte er dann nur.
    Nach einem
zehnminütigen Gang durch die kalte Morgenluft erreichten sie
ein großes Haus an der Overwegstraße. Im Hausflur roch
es muffig. Die Stufen der Holztreppe knarrten, als die beiden
Männer sie betraten. Schäfer wohnte im zweiten
Stock.
    Er öffnete nur
Sekunden, nachdem Wiedemann die Klingel gedreht hatte. Der
Hauptwachtmeister war von bulliger Statur und überragte
Goldstein um Haupteslänge. Er führte die Besucher in das
Wohnzimmer.
    »Ich kann Ihnen
nur Kräutertee anbieten«, sagte Schäfer
entschuldigend. »Kaffee war zu vernünftigen Preisen am
Samstag nicht zu bekommen. Einfach schrecklich, die
Geldentwertung.«
    »Auch daran ist
nur der Franzose schuld«, stellte Wiedemann fest und nahm
Platz.
    Goldstein, der das
etwas anders sah, zog es vor, seine Meinung nicht zu
äußern. Stattdessen sagte er: »Ein Tee wäre
nicht schlecht. Es ist wieder ziemlich kalt
draußen.«
    Schäfer
verließ das Zimmer, um den Tee aufzubrühen. Goldstein
sah sich um. Wiedemann hatte sich auf einem Sofa niedergelassen,
das identisch war mit dem, auf dem er selbst saß: ein mit
rotem Samt bezogener Zweisitzer mit hoher Rückenlehne. Vor
ihnen stand ein rechtwinkliger, dreieckiger Tisch aus schwarzem
Schleiflack. Die Sitzgruppe komplettierten zwei ebenfalls mit rotem
Samt bezogene Armstühle. Die eine Wand nahm ein fast raumhoher
schwarzer Schleiflackschrank mit verspiegelten Türen ein, von
der anderen lächelte zwischen Bildern mit Heidemotiven und
einem Zinnteller ein Pfeife rauchender Bauer in Öl. Goldsteins
Blick fiel auf die Anrichte: Darauf thronte eine beinahe ein Meter
lange Bronzeplastik eines Pferdes, das einen zweirädrigen Wagen zog.
Goldstein stand auf, um das Stück näher in Augenschein zu
nehmen.
    »Ein
Erbstück meines Schwiegervaters. Gefällt es Ihnen?«
Schäfer war mit einem Tablett in das Zimmer
zurückgekehrt. »Die Plastik soll aus dem späten 18.
Jahrhundert stammen. Angeblich war sie früher im Besitz des
Herzogs von Braunschweig.«
    »Ja. Wirklich
sehr schön.« Goldstein setzte sich wieder.
    »Herr
Hauptwachtmeister, wie ich Ihnen schon erzählt habe, arbeitet
unser Kollege Müller an einer Dokumentation über
spektakuläre Morde. Die Dokumentation dient der Ausbildung
unseres polizeilichen Nachwuchses. In diesem Zusammenhang hat er
einige Fragen an Sie, die den Fall Treppmann betreffen. Es versteht
sich von selbst, dass Sie seine Fragen nach bestem Wissen
beantworten müssen«, kam Wiedemann auf das Anliegen
ihres Besuches zu sprechen.
    Schäfer nickte
und rührte unsicher in seinem Tee.
    Goldstein

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