Fratze - Roman
neben der Billigbäckerei, und Brandy erzählt von der Nummer, die ihr Vater immer mit den Schweinen abgezogen hat, bevor er sie zum Markt brachte. Sie sagt, er habe sie immer mit abgelaufenen Kuchen und Torten gefüttert, die er tonnenweise von solchen Billigläden erworben habe. Die Sonne scheint durch saubere Luft auf uns herab. Bären und Berge kann man zu Fuß erreichen.
Über einen Ständer mit Secondhand-Kleidern hinweg sieht Brandy mich an. »Weißt du, wie dieser Schwindel funktioniert? Der mit den Schweinen, Süße?«, sagt sie.
Bei seinen Kartoffeln hat ihr Vater auch geschummelt. Man hält den Jutesack auf und stellt ein Ofenrohr rein. Um das Rohr herum schichtet man dicke Kartoffeln aus der diesjährigen Ernte. In das Rohr schüttet man die weichen, angestoßenen, zerschrammten und faulen Kartoffeln vom letzten Jahr, so dass die Leute sie nicht durch den Sack sehen können. Man zieht das Ofenrohr raus und näht den Sack fest zu, damit sich drinnen
nichts verschieben kann. Man verkauft sie am Straßenrand, die Kinderchen helfen dabei, und selbst bei einem niedrigen Preis verdient man eine ganze Stange Geld damit.
An diesem Tag in Idaho hatten wir einen Ford. Der Wagen war innen und außen braun.
Brandy schiebt die Bügel auseinander, prüft jedes einzelne Kleid auf dem Ständer und sagt: »Hast du in deinem Leben schon mal so was Niederträchtiges gehört?«
Springt zu Brandy und mir in einem Secondhand-Kleiderladen in derselben Straße, eingezwängt hinter einem Vorhang in einer Ankleidekabine von den Dimensionen einer Telefonzelle. Den größten Teil des Raums nimmt ein Ballkleid ein, in das ich Brandy hineinhelfen soll, ein echtes Grace Kelly von einem Kleid, das eindeutig die Handschrift von Charles James trägt. Streben und Schweller und all dieses wulstige Stützwerk, eingearbeitet unter eine Haut aus schillerndem rosa Organza oder eisblauem Baumwollsamt.
Diese total unglaublichen Kleider, erklärt mir Brandy, die konstruierten Ballkleider, die ausgetüftelten Abendkleider mit ihren Reifen und trägerlosen Oberteilen, ihren hochstehenden Hufeisenkragen und weit ausgestellten Schultern, Wespentaillen und abstehenden Schößchen und Stäbchen, die halten nicht besonders lange. Die Spannung, das Ziehen und Zerren von Satin und Crêpe de Chine auf, an und über den Draht- und Fischbeingestellen, der Kampf des Tuchs mit dem Metall, diese Spannung zerreißt sie. Das Äußere altert, das Tuch, also das, was man sieht, das wird immer schwächer, und das Innere bohrt und wühlt sich ins Freie.
Die Prinzessin hoch zwei sagt: »Ich brauche mindestens drei Darvon, um in dieses Kleid zu kommen.«
Sie hält mir die offene Hand hin, und ich schüttle ihr die Pillen hinein.
Ihr Vater, sagt Brandy, hat sein Rindfleisch zusammen mit zerstoßenem Eis durch den Wolf gedreht, um es mit Wasser anzureichern, bevor er es verkauft hat. Oder er hat dem Fleisch geschrotetes Korn beigemischt, um sein Volumen und Gewicht zu vergrößern.
»Er war kein schlechter Mensch«, sagt sie. »Hat sich nur nicht allzu pedantisch an die Regeln gehalten.«
Die Regeln, die einem sagen, dass man ehrlich und gerecht sein soll, sagt sie; wichtiger war ihm die Regel, seine Familie vor Armut zu schützen. Und vor Krankheit.
Nachts, wenn sie schlief, sagt Brandy, ist ihr Vater manchmal zu ihr ins Zimmer geschlichen.
Ich will das nicht hören. Brandys Porvera- und Darvon-Konsum hat als Nebenwirkung eine Art von emotionaler Bulimie, wo sie kein hässliches Geheimnis für sich behalten kann. Ich ziehe mir die Schleier fester um die Ohren. Danke für Ihr Desinteresse.
»Manchmal hat sich mein Vater nachts zu mir aufs Bett gesetzt«, sagt sie, »und mich geweckt.«
Unser Vater.
Das Ballkleid ist glorreich auf Brandys Schultern wiederauferstanden, wieder zum Leben erwacht, lebendiger als das Leben und alle Märchen zusammen, ein Kleid, wie man es in den letzten fünfzig Jahren an keinem Ort der Welt hätte tragen können. Ein Reißverschluss, dick wie mein Rückgrat, verläuft an der Seite bis knapp unter
Brandys Achselhöhle. Die Einsatzstreifen des Mieders kneifen Brandy an der Taille ab und lassen sie nach oben hin explodieren: ihre Brüste, ihre nackten Arme und ihren langen Hals. Der Rock ist aus blassgelbem Seidenfaille und Tüll geschichtet. Und so üppig mit Goldfäden und Staubperlen bestickt, dass jeder weitere Schmuck übertrieben wirken würde.
»Das ist ein Palast von einem Kleid«, sagt Brandy, »aber trotz
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