Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
kurz auf, begegnete ihrem Blick und spielte dann auf seinem Handy herum. Wahrscheinlich sinnierte er über das Foto, das er von der Fratze geschossen hatte.
»Zum Wohl.« Das Bier kam. Sie tranken. Tom legte seine Hand locker auf Katinkas Oberschenkel.
»Bevor das Essen kommt«, sagte Hardo und drehte dem Fernsehgerät den Rücken zu, »würde ich gern noch die Sachlage besprechen. Natürlich nur, wenn ich bei Ihnen auf Interesse stoße.« Er blickte zuerst Tom, dann Katinka in die Augen.
»Klar«, sagte Tom.
»Schon«, sagte Katinka rasch. Ein fieses kleines Reptil in ihr wehrte sich und wollte nie mehr wieder mit Verbrechen, Polizei und Ermittlungen zu tun haben. Da war aber auch noch etwas anderes, wie ein Locken, ein Zwitschern. Sie spürte, dass diese Krise zu überwinden war und sie hatte den starken Verdacht, dass Hardo heute gekommen war, um sie aus dem Loch zu ziehen. Er scheint diese Zustände zu kennen, dachte sie, in denen man alles, was man bisher getan hat, für umsonst und sinnlos hält und davonkriechen möchte, am liebsten in die urzeitlichste und dunkelste Höhle am Platz.
»Wir haben zwei Verbrechen«, begann Hardo. Die dunkelbraune Flüssigkeit in seinem Bierglas nahm rasch ab. »Den Mord an Ida Schenck und den Anschlag auf Katinka Palfy.« Er schwenkte sein Bierglas, trank es leer und winkte der Bedienung damit.
Ich kann nichts dazu sagen, dachte Katinka, auch wenn er zwischendurch so lange den Mund hält, dass meine Zunge fast von selbst anfängt zu reden. Aber mir fällt nichts ein.
»Zuvor haben wir noch die Spukereien auf Schencks Grundstück. Wir können annehmen, dass der Mörder und der Geist identisch sind.«
»Ja, auf alle Fälle«, sagte Katinka. Das altbekannte Surren der Kontrollwespe mit ihren heimtückischen Suggestionen setzte ein. Lass die Finger davon, zischte sie. Du willst doch gar nicht mehr. Vergiss es einfach.
»Katinka Palfy hat während ihrer Ermittlungen offensichtlich etwas in Erfahrung gebracht, was dem Mörder riskant vorkommt. Er hat die Gelegenheit auf der Altenburg genutzt, die Detektivin zu beseitigen. Gelungen ist es ihm Gott sei Dank nicht. Das wäre die erste Theorie.«
Hardos zweites Bier kam. Neben ihnen brausten die Fans auf. Ein Spieler hatte eine todsichere Torchance verpasst.
»Die zweite Theorie wäre, dass Katinka kurz davor steht, die entscheidende Information zu ergattern.«
»Ich habe mich etwas gefragt, die ganze Zeit schon«, begann Katinka. »Warum hat er – oder sie – mich nicht … ich meine …« Sie räusperte sich. »Also. Ich hing an dem Wasserspeier. Er – oder sie – hatte die Möglichkeit, einfach auf meine Hände einzuprügeln. Der Wasserspeier liegt nur einen knappen Meter unterhalb der Brüstung. Dachte er, ich würde auf alle Fälle runterstürzen? Er musste doch damit rechnen, dass ich alles versuche, um am Leben zu bleiben. Dass ich schreie. Dass ein Hochzeitsgast auf den Burghof kommt, um frische Luft zu schnappen.«
Sie spürte, wie Tom ihr Knie drückte.
»Er könnte gestört worden sein«, gab Hardo zu bedenken. »Ein Mensch, der über einem Abgrund baumelt, entwickelt immense Kräfte. So schnell lässt sich eben niemand vernichten.«
»Denken wir mal weiter. Wenn also Idas Mörder mich gestürzt hat«, sagte Katinka, »dann war Idas Mörder kein Mann. Oder es war einer mit Schuhgröße 40. Und wen sollte ich durch meine Ermittlungen aufgeschreckt haben? Ich habe nur mit der Familie gesprochen.«
»Ich denke jedenfalls«, sagte Hardo, »dass dieses Natterngezücht von Familie schon ausreicht, um genügend Verdächtige zu liefern.«
»Könnte die Person, die Katinka gestoßen hat, auch größere Füße haben, sich aber als Tarnung in kleinere Turnschuhe gequetscht haben?«, fragte Tom.
»Eben«, rief Katinka. Sie bestellte sich auch ein zweites Bier. »Turnschuhe sind weich. Man kann sogar die Ferse runtertreten.«
»Ich habe daran gedacht. Meine Leute meinen, dass tatsächlich jemand mit größeren Füßen die Schuhe getragen haben könnte. Der Boden war durch den langen Regen aufgeweicht. Dadurch sind sowieso alle weit in den Matsch eingesunken.«
Katinka erinnerte sich mit Schaudern daran, wie der kalte Schlamm durch ihren Socken drang, nachdem Hardo und Urban Dütsch sie über die Brüstung zurückgezogen hatten. Sie sah in seine grauen Augen. Er erwiderte ihren Blick ruhig.
»Hat Hasseberg …?«
»Er trägt Größe 43.«
»Philipp?«
»Ebenfalls.«
»Die beiden sind mir unheimlich«, sagte
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