Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
genoss die Massage.
»Geht’s ihr besser?«, raunte Katinka.
Alina zog die Augenbrauen hoch. »Das ist unser alter Kindertrick. Haare waschen. Das beruhigt sie.«
»Ich habe den Kommissar verständigt.«
Alina sah besorgt auf Grits Gesicht. Entweder hatte sie nichts gehört, oder sie verstellte sich gekonnt.
»Vielleicht besser so. Ich weiß immer noch nicht, was los ist.« Sie nahm die Brause und duschte das Shampoo aus Grits Haaren.
»Bleib einen Moment ganz ruhig, ich bin gleich wieder bei dir«, sagte sie sanft zu Grit und strich ihr mit einem Finger über die Stirn. Katinka sah zu und fühlte sich sonderbar.
Im Korridor sagte Alina Faber: »Was war?«
»Sie ist fast durchgedreht. Meint, schuldig zu sein. Die Schuld an Idas und Sybille Uttenreuthers Tod zu tragen.«
»Ich hab’s Ihnen doch gesagt.« Alina ging in die Küche. Katinka kam hinterher. Sie vergaß einen Moment den geschwollenen Knöchel und trat forsch auf.
»Au!«
Alina sah sie verwundert an. »Sie haben einen ganz dicken Knöchel«, sagte sie schließlich. »Machen Sie sich Quarkwickel. Das hilft. Und hochlegen. Oder warten Sie. Ich sehe mal, ob Grit eine Salbe da hat.«
»Grit fürchtet sich vor jemandem, dem sie, wie sie wörtlich sagte, alles zutraut. Wer ist das, Frau Faber?«
Alina setzte Wasser auf. »Tee oder Kaffee?«
»Kaffee.«
Alina Faber wühlte in einem Verbandskasten herum. »Ihr Vater, vermutlich. Nein, tut mir leid. Fehlanzeige. Grits medizinische Grundausstattung geht gegen null.«
Katinka setzte sich und legte den Fuß auf den Stuhl neben sich.
»Aber wie bringt sie ihren Vater mit dem Unfall zusammen? Er war doch gar nicht beteiligt.«
Alina stülpte mit einer schnellen Bewegung Filterpapier in den Porzellanfilter, gab Kaffeepulver hinein, eine Prise Salz und goss Wasser dran. »Ich sagte es Ihnen doch: Seit gestern ist sie völlig verstört und unfähig, zusammenhängend zu erzählen, was eigentlich das Problem ist. Das ist nicht typisch für meine Tochter, glauben Sie mir. Normalerweise ist ihre Klappe so geräumig wie ein Walfischbauch.«
Katinka wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Der Kaffee duftete. Sie merkte, wie lange sie schon nichts mehr gegessen hatte. Sie konnte sich nicht einmal erinnern, ob sie heute Morgen gefrühstückt hatte. Hatte sie nicht, wenn sie es recht bedachte. Sie wollte fragen, sehen Sie da nicht Gespenster, Sie und Ihre Tochter?
»Ich schaue mal nach Grit«, sagte Alina Faber und ging zum Badezimmer. Katinka saß allein in der Küche, goss sich einen Kaffee ein und sah im Kühlschrank nach Milch. Es klingelte.
Sie hopste zur Tür.
»Hallo, Kommissar!«
Er hob eine Papiertüte hoch.
»Zeit fürs Mittagessen. Sie mögen doch Bamberger Hörnla?«
Katinka bat ihn herein. »Ich spiele Gastgeberin. Alina Faber taut Grit in der Badewanne auf.« Sie erzählte Hardo, was sie auf dem Friedhof erlebt und von Alina gehört hatte.
Er schenkte sich ebenfalls Kaffee ein und versenkte ein ganzes Hörnla in der Tasse. Das äußerste Ende behielt er zwischen den Fingern. Dann bugsierte er das durchweichte Gebäckstück mit einer schnellen Bewegung in seinen Mund. Es quatschte, als er zubiss, wie Gummistiefel im Morast.
»Ich weiß nicht mehr, was ich davon halten soll«, sagte Katinka und nahm sich ein Hörnla aus der Tüte. Sie sagte nichts zu dem braunen Umschlag in ihrem Rucksack. Und sie hoffte sehr, dass Grit nicht sofort nach ihrer Tasche greifen und ihn suchen würde.
»Grit verbindet den Unfall, den Mord an Ida und meinen Sturz mit sich selbst«, sagte Katinka. »Das ist die Quintessenz des g anzen. Sie sieht sich als schuldig. Behauptet, sich wieder zu erinnern. Ich weiß nicht …«
Sie brach ab. Alina Faber kam herein. Ihre Hose war voller Wasserflecken.
»Grüß Gott, Herr Hauptkommissar.«
Sie streckte ihm die Hand hin. Richtig aristokratisch macht sie das, dachte Katinka bewundernd. Hardo war aufgestanden.
»Frau Faber.«
»Ich habe Frau Palfy schon gebeten, Ihnen Grüße zu bestellen. Aber vielleicht kam sie in der Aufregung noch nicht dazu. Ich … ich meinte ohnehin, dass wir beide uns einmal unterhalten könnten. Jetzt hat Grit die Angelegenheit quasi beschleunigt.«
Katinka staunte über Alinas Gewandtheit und kam sich klein dabei vor.
Die Badezimmertür ging. Grit kam angeschlichen. Sie steckte in einem Schlafanzug, trug einen dicken Wollpulli drüber und Skisocken an den Füßen. Ein Handtuchturban bedeckte ihr nasses Haar.
»Komm, Schatz«, sagte Alina
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