Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
sie schon im Treppenhaus standen. Philipp Hassebergs Stimme tönte: »Wenn Sie mir drohen – ich bin Jurist.«
»Schande dem, der Arges dabei denkt«, sagte Uttenreuther. Er lief die Treppe hinunter. Philipp schmiss die Tür ins Schloss. Der Knall hallte im Treppenhaus wider. Irgendwo kläffte ein Hund. Katinka ging ein paar Schritte, dann klammerte sie sich an das Treppengeländer. Ihr wurde beinahe übel vor Schmerz.
»Katinka?«
Sie antwortete nicht, biss die Zähne zusammen und hopste auf einem Bein hinter Hardo her. Draußen goss es wie aus Kübeln. Uttenreuther hielt ihr die Tür auf.
»Grit sagte, sie hätte die Turnschuhe in ihrer Sporttasche in ihrem Wagen gehabt«, sagte sie nachdenklich. »Die Sporttasche hätte sie, als sie am Freitag vor der Hochzeit ihres Bruders vom Fitnessstudio kam, im Auto vergessen und erst Tage später mit in ihre Wohnung getragen und sie dann erstmal nicht ausgeleert.« Katinka sah Uttenreuther fragend an. »Also lagen diese Schuhe während der Hochzeitsfeier in ihrem Auto, und das hatte sie oben bei der Altenburg am Parkplatz stehen.«
»Bis zu dem Zeitpunkt, wo jemand die Schuhe überzog. Der sie später so geschickt versteckte, dass wir sie nicht gefunden haben.«
Sie sahen sich an. Dann schlug Hardo Katinkas Tür zu und ging zur Fahrerseite. Als er sich hinters Steuer klemmte, sagte er:
»Ich fahre Sie jetzt ins Klinikum. Keine Widerrede.«
Katinka stöhnte so inbrünstig wie eine Charakterdarstellerin, aber sie war ihm im Grunde dankbar. Irgendwas stimmte nicht mit dem Fuß. Und sie bekam Angst.
Die Ärztin begutachtete ruhig und sachlich den Knöchel und schickte Katinka zum Röntgen. Wie ein geduldiges Maultier schob Hardo sie im Rollstuhl durch die Gänge. Katinka kam sich vor wie ein Haufen Bauschutt. Die Aufnahme wurde gemacht, und dann mussten sie warten. Erschöpft von den Schmerzen und dem Chaos des Tages wäre Katinka beinahe eingenickt. Neben ihr blätterte Hardo in einer Illustrierten. Irgendwas nagte an ihren Gedanken. Grit und der Friedhof, das Grab, Grit im Badeschaum. Wie um sich selbst auf die Sprünge zu helfen, fragte sie: »Hardo?«
»Hm?«
»Meinen Sie, dass Alina Faber wirklich Alkoholikerin ist, wie ihre ganze Sippschaft behauptet?«
»Ich halte es für möglich. Zwar wirkte sie heute, sagen wir mal, unauffällig. Was das auch immer heißt. Jedenfalls hatte sie nicht getrunken. Oder gerade soviel, dass sie auf der Höhe war.«
»Irgendwie habe ich den Eindruck, dass ihr da was angehängt werden soll.«
Hardo sah zweifelnd drein. »Kann sein. Aber Alkoholismus ist eine Sache des Verborgenen. Wenn das Untier sichtbar wird, kann man meist nicht mehr viel tun.«
»Vielleicht fehlt ihr die Aufgabe. Und jetzt, wo sie Grit helfen kann, kommt sie nicht auf die Idee, zu schlucken.«
»Frau Palfy?«
Die Ärztin winkte sie ins Sprechzimmer.
»Ich warte dann mal«, sagte Uttenreuther.
»Kommen Sie ruhig mit rein«, sagte die Ärztin. »Ich meine, nur wenn Ihre Tochter nichts dagegen hat.«
Katinka meinte, ihr Kopf würde auf das Doppelte seiner Größe anschwellen. »Ähm«, sagte sie.
»Ich bin …«, setzte Uttenreuther an.
»Kommen Sie einfach mit«, zischte Katinka.
»Also«, sagte die Ärztin und wies auf das Röntgenbild. »Gebrochen ist nichts. Gerissen auch nicht, soweit ich sehen kann. Wahrscheinlich sind die Bänder massiv überdehnt worden. Sind Sie umgeknickt in letzter Zeit?«
»Äh … ja«, sagte Katinka. Sie musste sich zusammenreißen. Die Ärztin würde denken, sie hätte den Intellekt eines Hühnereis.
»Die Schwellung muss erst zurückgehen. Ich gebe Ihnen eine Heparinsalbe mit. Anschließend können wir es mit einem Tapeverband versuchen.« Sie ging zu einem Arzneischrank und wühlte eine Schachtel heraus.
»Haben Sie auch was gegen die Schmerzen?«, fragte Katinka. Das Stechen, das, ganz nach Vorführeffekt, seit ihrer Anwesenheit in der Klinik nachgelassen hatte, meldete sich wieder.
»So schlimm?«
Katinka nickte.
»Dann nehmen Sie hiervon dreimal zwei. Nicht mehr. Essen Sie vorher was, damit die Tabletten den Magen nicht angreifen.«
Katinka bedankte sich und stopfte die Sachen in ihren Rucksack.
»Sie müssen den Fuß schonen, das ist das A und O.« Die Ärztin lächelte Katinka ermutigend zu. »So eine Überdehnung kann ein bisschen langwierig sein, manchmal sogar schmerzhafter als ein Bruch. Deswegen ist es besser, gleich am Anfang für Ruhe zu sorgen.«
»Sage ich auch immer«, machte sich Hardo
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