Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
vorsichtig.«
»Lass den Mist!«, sagte Hasseberg nun scharf. »Solche Anschuldigungen sind irrational und grausam. Ich kann nicht glauben, dass du mir das vorwirfst. Tante Ida hat sowieso einen unguten Einfluss auf dich ausgeübt. Insofern … aber egal.«
Katinka hörte Schritte. Grit schrie: »Ich werde es dem Kommissar sagen. Und die kriegen dich. Diesmal kriegen sie dich.«
Sie weinte. Katinka sprang auf und hastete die Treppe hinunter in die Dunkelheit. Sie kroch hinter die nächste Hecke und wartete. Grit kam die Stufen herunter. Hasseberg war hinter ihr.
»Grit«, sagte er. »Du kennst mich. Du weißt, was ich durchmache. Bring mich nicht noch mehr in Konflikt.«
Grit fuhr herum. Klein und schmal hob sie sich gegen den schwarzen Himmel ab. Der angebissene Mond hing knapp über ihrem Kopf.
»Du hast uns immer nur benutzt. Du hast uns gezwungen und malträtiert. Du hast Mama kaputtgemacht. Alles musste nach deinem Willen laufen. Sonst waren wir schlechte Menschen und du musstest leiden. Aber dieses dämliche Spiel ist ab heute für mich Vergangenheit. Ich kriege dich vor Gericht. Du hast Sybille Uttenreuther ermordet. Du bist schuld!«
»Grit, ich …«
»Genauso wie die Sache mit Norbert. Du hast mich verkauft. Du hast Norbert einen Job in deiner beschissenen Kanzlei geboten. Wenn er mich heiratet, hast du ihm gesagt. Du … ich hasse dich! Ich hasse hasse hasse dich.«
»Nimmst du jetzt auch Drogen, wie dein Bruder? Oder woher nimmst du die Fantasie für dein Gefasel!«
»Du hast Tante Ida umgebracht!«, brüllte Grit. Ihre Stimme schraubte sich immer höher. »Sie hat sich an die Unfallnacht erinnert. Du hast sie umgebracht, weil du wusstest, irgendwann fliegst du auf. Und ihre Tagebücher hast du vernichtet. Damit alle Spuren beseitigt sind.«
»Welche Tagebücher?«, fragte Hasseberg.
»Die Detektivin hat erzählt, dass Ida sie vermisst hätte. Die Notizen der letzten Monate. Du hast sie genommen. Sie waren nicht mehr da.«
Katinka wurde heiß, als sie von sich sprechen hörte. Ihre Knie begannen zu zittern. Sie ließ sich bäuchlings im Gras nieder und starrte unverwandt zu den beiden auf der Treppe.
»Also weißt du, wo Ida sie aufbewahrt«, kam es von Hasseberg. Seine Stimme fuhr Achterbahn. »Du weißt es. Du Luder. Hast du sie mitgehen lassen? Sag schon!«
Grit starrte ihren Vater an. Katinka sah das Messer, den feinen Lichtblitz, der nur einen flüchtigen Gedanken lang aufleuchtete, dann hörte sie Grits Schluchzen und Hasseberg, der ganz leise sagte: »Ganz recht. Und du bist die n ächste. Es sei denn, du erinnerst dich an deine Kinderstube und an das, was uns Menschen vor allem anderen auszeichnet: an deinen Verstand.«
Katinka rückte sich im Gras zurecht. Sie stieß gegen einen Zweig. Hasseberg hörte das feine Knacken. Er starrte in ihre Richtung. Ruhig richtete Katinka die Pistole aus.
»Lass mich!«, schrie Grit. Sie wehrte sich unerwartet heftig. Dann schnellte etwas Dunkles aus dem Gebüsch neben ihnen und sprang Hasseberg an.
Er schrie halblaut auf. Das Messer sank. Grit holte aus, schlug nach seiner Hand und kam ins Taumeln. Sie stürzte ein paar Schritte, fing sich und klammerte sich am Treppengeländer fest. Vishnu, dachte Katinka. Das gibt’s nicht.
Hasseberg hatte sich wieder in der Gewalt. Er trat nach dem Kater, dann griff er Grit am Hals und holte mit dem Messer aus. Grit schrie.
»Hasseberg, lassen Sie sie los!«
Er starrte in Katinkas Richtung, das Messer in der Faust.
Katinka zielte still und konzentriert. Als sie den Abzug drückte, wusste sie, dass sie treffen würde. Hasseberg brüllte auf. Das Messer polterte auf den Boden. Grit fiel die Treppe hinunter. Hasseberg packte ungläubig seinen Arm. Katinka hörte sein Stöhnen, und wie er scharf die Luft durch die Zähne einzog.
Sie robbte ein Stück zurück. Er sank gegen das Treppengelände. Grit schien unverletzt zu sein, sie wälzte sich herum und wimmerte.
»Papa.«
Katinka wollte sich gerade aufrichten und zu Hasseberg hinüberrufen, als sie sah, wie er einen Revolver zückte und in die Dunkelheit richtete.
»Wer ist da?«
Wie gelähmt hielt sie inne. Sie sah ihn, er sie nicht, das war ihr Vorteil. Hasseberg tastete nach seinem Messer und hob es auf. Den verletzten Arm mit dem Messer fest an seinen Körper gedrückt und den Revolver in Katinkas Richtung vorgestreckt, stieg er die letzten Stufen herunter. Katinka kam auf die Füße und rannte die wenigen Meter zu dem Springbrunnen hinüber. Sie
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