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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
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zu schaffen machte, erkannte sogar sie. Da konnte man ja mal gespannt sein. Sie hoffte das Beste für ihn.
    »Einverstanden«, sagte sie. »Leicht wird das aber nicht, ohne Lockenwickler.«
    »Vielleicht versuchen wir heute mal was Neues?«, zwinkerte er ihr zu.
    »Ich vertraue Ihnen da voll und ganz.«
    »Wenn Sie mir dann bitte folgen wollen.«
    Er führte sie an der Hand ins Badezimmer, rückte den kleinen Hocker zurecht und ließ sie mit dem Rücken zum Waschbecken Platz nehmen. Als sie sich setzte, zischte es unter ihr. Sie erschrak aber nur kurz. Anscheinend hatte sie mit ihrem Gewicht die Luft aus dem undichten Polster gedrückt. Er verschwand in Richtung Wohnzimmer, und wenig später hörte sie wieder eines dieser schmachtenden Lieder. Sascha kam mit einem seltsam wurstigen Ding in der Hand zurück.
    »Dann wollen wir mal«, sagte er, legte ihr ein Handtuch über die Schultern, das seltsame Ding um den Hals und kippte ihren Kopf leicht nach hinten. Federnd gepolstert lag sie auf der Kante des Waschbeckens. Er hatte wirklich Talent für so manches, was sie von Männern nicht erwartet hätte. Sie schloss die Augen und lauschte der Musik. Lauwarm fühlte sie das Wasser auf ihrer Kopfhaut. Ihr schauderte es wohlig den ganzen Rücken hinunter bis in die Füße.
    »Angenehm?«
    »Exzellent.«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass ich diese Halskrause noch einmal brauche. Ich weiß gar nicht mehr, wo die überhaupt her ist. Irgend so ein Langstreckenflug muss das gewesen sein.«
    »Wir sind ja kaum gereist«, sagte sie. »Aber Sie haben recht, man sollte einfach nichts wegwerfen. Man weiß ja nie.«
    »Ja, genau«, sagte er, anscheinend konzentriert darauf, ihren Verband nicht nass zu machen.
    »Die Musik ist auch schön.«
    »Puccini«, sagte er. »Auch nicht wirklich das Neueste von heute.«
    »Aha. Ein toller Sänger.«
    Dann hörte sie das Schmatzen einer fast aufgebrauchten Shampooflasche und fühlte, wie er begann, ihr Haar zu massieren. Für die eine Wäsche reichte es offenbar noch.
    »Da sehen Sie mal, was ich alles verpasst habe«, sagte sie.
    »Die Oper ist auch so eine Liebesgeschichte. Hübsche Frau weiß nicht, was sie will, verdreht den Männern den Kopf. Liebe oder Geld? Die alte Frage. Der Fluch der Schönheit. Wer zuviel will, steht am Ende mit leeren Händen da und so weiter und so fort. Am Ende dann aber doch große Liebe und Katastrophe, alles wunderschön. Sie geht übrigens nach Amerika, mit ihrem Geliebten in die Verbannung. Sie hätten da bestimmt mehr Glück gehabt.«
    Das sagte sich so leicht. Sie mit einem schwarzen Mann irgendwo in Tennessee. Leicht wäre das sicher auch nicht geworden.
    »Ach was«, sagte sie. »Bringt ja nichts, sich zu fragen, was gewesen wäre, wenn. Sie können das Wasser übrigens ruhig ein bisschen wärmer machen.«
    »So?«
    »Exzellent! Sie sollen übrigens nicht denken, dass ich nicht zufrieden bin mit dem Leben, das mein Mann mir geboten hat. Das wäre nicht gerecht, auch wenn er mir nie die Haare gewaschen hat.«
    »Das ist auch mein erstes Mal.«
    »Wirklich? Sie haben Talent. Vielleicht passt das besser zu Ihnen als dieses Herausfinden von dem, was die Menschen einkaufen wollen.«
    Sie machte ihr Auge vorsichtig auf und sah ihn grinsen. Sie durfte nicht vergessen, wie empfindlich er war.
    »Mit Waschen allein würde ich nicht wirklich weit kommen, fürchte ich.«
    »Sie sind doch jung. Den Rest werden Sie schnell lernen.«
    »Ich könnte ja mit Ihnen anfangen. Ich denke, Sie sollten Ihre Haare mal etwas glatter tragen.«
    »Wenn Sie das sagen, wird das schon recht sein. Sie sind schließlich der Fachmann.«
    »Irgendwo hatte ich auch einen Kamm«, hörte sie ihn vor sich hin murmeln. Das konnte ja heiter werden!
    Er musste wirklich noch viel lernen. Das Kämmen war eine Tortur, doch ließ sie sich nichts anmerken. Die Schmerzen erinnerten sie an ihre Kindheit, schon wieder die Vergangenheit, wenn ihre Mutter sie gepackt hatte, um Kletten und all das andere Getier aus ihren langen blonden Haaren zu vertreiben. Sie hatte geschrien, um sich geschlagen, am Ende hatten sie zusammen gelacht. Wie hatte sie all das vergessen können? Vielleicht, dachte sie jetzt, war diese Kindheit zu schön gewesen, das Ende zu schrecklich, um damit zu leben. Vielleicht war es an der Zeit, ihrer Mutter zu verzeihen, auch wenn sie lange tot war.
    Eigentlich war alles gut gewesen, bevor ihre Eltern sie in die Stadt geschickt hatten. Normal. Glücklich. Der Hof, die große Küche, in der

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