Frau Ella
erklären, was hier los war, warum nichts mehr so war, wie er es erwartet hatte, ging sie aus der Küche und schloss die Tür hinter sich. Und dann, dann spürte er eine Hand auf seiner Schulter.
»Hey Saatschi, hallo! Sorry, dass ich hier so reingeplatzt bin, aber ich hatte dieses Gefühl, dass das einfach sein musste. Ich meine, ich bin echt nicht nett gewesen, oder? Aber sonst hätte ich das nie geschafft mit Spanien. Du wärst doch eh nicht mitgekommen. Aber jetzt bin ich wieder da, und ich wollte dir sagen, dass ich glaube, dass wir einfach zusammengehören. Ich meine, ich hatte in den sechs Monaten auch keinen anderen, also nichts Richtiges.«
»Nichts Richtiges«, sagte er und brachte sich ein kleines Stück weit in Sicherheit.
»Ich hab mich jetzt für dich entschieden, trotz allem«, sagte sie ruhig, griff wieder nach seiner Hand, blickte ihn mit ihren goldbraunen Augen an, als sei sie wirklich verliebt. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, aber er merkte, wie sein Blick von ihren Augen aus tiefer wanderte, auf ihrer Schulter hängenblieb, in diesem kleinen Tal unterhalb des Schlüsselbeins. Das war so lange her.
»Trotz allem was?«
»Na ja, trotz, also obwohl wir nicht zusammenpassen.«
»Du hast dich also für mich entschieden, obwohl wir nicht zueinander passen?«
»Ja, also die Idee kam mir zum ersten Mal in diesem Wohnheim im Winter. Ich hatte so ein Minizimmer mit Waschbecken, Bad und so war auf dem Flur, und eine Heizung gab es auch nicht, weil es in Spanien ja nie so richtig kalt wird. Da dachte ich, dass man ja, wenn’s kalt ist, auch einen Pullover anzieht, der einem zu klein ist, wenn man keinen anderen hat.«
»Ich bin dir also zu klein?«
»Mann, Saatschi, natürlich nicht wörtlich. Das ist nur so ein Gleichnis.«
»Von mir aus. Aber Fakt ist doch, dass du zurückgekommen bist und bleiben willst, obwohl ich dir nicht passe.«
»Ja, irgendwie schon. Also, das passt natürlich irgendwie, ich glaube nur, dass an der Liebe auch gearbeitet werden muss, so, so wie, wie an einem Haus. Da muss ja auch immer was repariert werden. Also natürlich dachte ich, als du mich nicht mehr wolltest, dass ich einfach so nach Spanien fliegen kann und dann direkt irgendwas Superromantisches erlebe, aber irgendwie ist Spanien halt auch nicht anders als hier, und selbst mit der größten Romanze streitet man irgendwann über den Wasserfilter oder so. Das geht ja auch gar nicht anders, ich meine, wir müssen doch mal langsam erwachsen werden, oder?«
»Wenn erwachsen sein bedeutet, dass man mit zu kleinen Pullis in kaputten Häusern über Wasserfilter diskutiert, bin ich nicht wirklich interessiert.«
Sie sah ihn schweigend an, als überlege sie, ob er das ernst meinte.
»Du stehst halt lieber ohne Pulli schweigend im Regen«, lächelte sie regelrecht mitleidig, saß da mit ihrer wunderschön traurigen Resignation, und plötzlich wurde ihm klar, dass sie das alles ernst meinte, dass sie sich wirklich all diese Gedanken gemacht hatte, dass sie wirklich zu ihm zurückkam.
»So habe ich das noch nie gesehen. Hast du das von Frau Ella?«
»Von meinem Vater. Aber Frau Ella sieht das bestimmt genauso.«
»War dein Vater nicht zweimal geschieden und regelmäßig mit seiner Sekretärin unterwegs? Ich meine, ist der wirklich kompetent in diesen Dingen?«
»Mann, jetzt stell doch nicht alles, was ich sage, in Frage, sonst geh ich wieder!«, rief sie wütend. »Es gibt doch auch gute Ärzte, die rauchen, oder nicht?«
Sie hatte vollkommen recht. Was sollte die Diskussion? Was hatte er zu verlieren? Jedenfalls brachte es ihm nichts als dieses schäbige Gefühl vermeintlicher Überlegenheit, wenn er sie so provozierte.
»Frau Ella ist übrigens voll nett«, sagte Lina wieder ruhiger. »Finde ich richtig geil, dass du das gemacht hast. Hätte ich gar nicht von dir erwartet, so was Spontanes, meine ich.«
Da spielte sie wieder den guten und den bösen Bullen, brachte ihn genau dahin, wo sie ihn haben wollte. Sie spielte mit ihm. Er starrte die Kaffeemaschine an, hoffte, dass er dieser Situation irgendwie entkommen würde, ohne endgültig Position beziehen zu müssen. Es fühlte sich nicht schlecht an, dass sie sich entschieden hatte. Sie sollte auch gerne wieder ihre Spielchen mit ihm spielen, aber er brauchte noch etwas Zeit. Da spürte er ihre Hand auf seinem Bein. Aus genau diesem Grund waren körperliche Übergriffe bei Verhören verboten, ganz egal, wie nett gemeint sie waren. Er musste widerstehen. Er war
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