Frau Paula Trousseau
Wir wussten wohl beide nicht, was in uns gefahren war.Ich kam erst am späten Vormittag nach Hause. Waldschmidt fragte, wo ich die Nacht über gewesen war, und ich sagte ihm, dass ich mit einer Freundin meine Prüfung gefeiert und bei ihr übernachtet hätte.
»Bei Sibylle?«
Ich schüttelte den Kopf und ging in mein Zimmer. Er lief mir hinterher, stellte sich an die Tür und sagte, wir müssten einmal über uns reden, über unsere Beziehung.
»Hast du vor, mich zu verlassen? Jetzt, wo du das Diplom in der Tasche hast, bin ich dir nicht mehr nützlich, wie?«
»Für was hältst du mich? Glaubst du tatsächlich, dass ich nur aus Berechnung mit dir zusammen bin?«
»Langsam glaube ich es. Und ich kann nicht einmal sagen, man habe mich nicht gewarnt. Eine Freundin von dir hat es mir vor einem Jahr gesteckt. Und von meinen Kollegen hatte ich auch ein paar Dinge über dich gehört, die mich hätten misstrauisch machen sollen. Selbst Tschäkel hatte etwas anzumerken, selbst der gutmütige Tschäkel.«
»Ja, das wars dann wohl, Freddy. Wenn du das glaubst, sollte ich meine Sachen packen.«
»Willst du wissen, welche deiner guten Freundinnen mir etwas gesagt hat? Soll ich dir ihren Namen verraten?«
»Nein, nicht nötig. Ich habe keine Freundin an der Schule, und eine gute schon gar nicht. Du kennst mich überhaupt nicht, Freddy. In Wahrheit wolltest du eine kleine Studentin fürs Bett, mehr nicht. Alles, was ich malte, zählte für dich nicht. Du wolltest es dir nicht einmal anschauen.«
»War alles auch nicht besonders aufregend, Paula, und ein paar deiner Einfälle waren schlicht ärgerlich, degoutant geradezu. Aber nicht jeder, den wir immatrikulieren, wird ein Künstler. Nicht einmal die Hälfte aller Studenten,die durch unsere Schule gehen, wird auch nur ein einziges Bild zustande bringen, das etwas taugt. Aus taubem Gestein schlägt man keine Funken, das können auch die Professoren nicht, selbst mit noch so großer Mühe nicht.«
»Danke, Freddy, dann weiß ich Bescheid. Es ist wohl wirklich besser, meine Sachen zu packen und meiner Wege zu ziehen.«
»Zu einer deiner Freundinnen vermutlich«, höhnte er. »Ich weiß nämlich Bescheid, verehrte Dame. Liebhaber von Fotzen gibt es in meinem Haus offenbar mehr, als ich dachte.«
Ich sah ihn an, ganz lange, ich sagte nichts, ich fühlte nichts, ich konnte ihn nicht einmal hassen. Waldschmidt redete weiter, aber ich hörte nicht mehr zu. Irgendwann krachte die Tür ins Schloss, er hatte endlich mein Zimmer verlassen. Zehn Minuten später begann ich meinen Koffer zu packen.
Viertes Buch
1.
Ich zog bei ihm aus. Ich wäre schon eher gegangen, aber wegen der Abschlussprüfungen im Mai und Juni hatte ich keine Zeit, mir ein Zimmer zu suchen. Ich war erleichtert, diesen goldenen Käfig zu verlassen. Ich war erleichtert, Waldschmidt zu verlassen, aber ebenso wichtig war es, mit ihm die Hochschule samt Professoren und hämischen Kommilitonen hinter mir zu lassen. Einigen von ihnen würde ich irgendwann wiederbegegnen, das war unvermeidlich, man würde sich bei einer Ausstellungseröffnung treffen, bei einer Verbandstagung, bei einer öffentlichen Diskussion, aber dort konnte man sich aus dem Weg gehen. Ich hatte gehofft, nach dem Ende des Studiums ein Stipendium für ein oder zwei Jahre zu bekommen, aber dieser Wunsch war nicht in Erfüllung gegangen. Dass Waldschmidt sich jetzt noch für mich verwenden würde, war ausgeschlossen. Von daheim würde ich ebenfalls keine Unterstützung erhalten, die Eltern, vor allem Vater, verübelten es mir noch immer, dass ich mich von Hans hatte scheiden lassen.
Sibylle Pariani bot mir an, in ihrem Haus zu wohnen, auch Kathi sagte, ich könne bei ihr einziehen, ein paar Wochen oder Monate würden wir es in ihrer kleinen Wohnung zusammen aushalten, zumal sie den ganzen Tag über im Warenhaus zu tun habe. Sie verlangte als Miete ein Bild von mir und hatte genaue Vorstellungen davon, es sollte ein Landschaftsbild sein und unbedingt farbig, oder ein Aktbild von ihr oder von mir. Das Bild versprach ich ihr, aber ich wohnte nur eine Woche bei ihr, dannhatte ich eine leerstehende Wohnung in der Auguststraße gefunden.
Ein Bekannter hatte mich auf diese Wohnung hingewiesen, die heruntergekommen war und als schwer vermietbar galt. Da sie seit zwei Jahren nicht mehr bewohnt worden war, bekam ich vom Wohnungsamt umgehend die erforderliche Zuweisung und die Schlüssel und konnte mit meinen Sachen am nächsten Tag dort einziehen. Kathi
Weitere Kostenlose Bücher