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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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also als Lektion zwei ihrer kleinen übertariflichen Sonderleistungen damit, den armen, gutmütigen und überarbeiteten Herrn Doktor ein bisschen unter ihre Fittiche zu nehmen. Ein bisschen provokanter und frauenrollenspezifischer, als das arbeitgeberrechtlich vorgesehen war.
    Ich bin ja ein Mensch, der schrecklich schwer von Begriff ist, und außerdem friedfertig und gutmütig wie ein stoßzahnamputierter, halbblinder und überfressener Elefant. Aber eines Morgens wurde ich doch hellhörig.
    Es war ein schöner Frühlingsmorgen kurz vor Ostern, und ich saß schon wieder nur auf einer halben Pobacke vor Aufregung, weil ich auf dem Sprung zu einem Konzert im Niederrheinischen war. Robby, mein Geiger, wollte mich abholen, zwecks gemeinsamer Passions-Mucke in Emmeriçh. Paulchen thronte auf dem wackeligen Hochstühlchen der Marke »Kinderglück/Eiche natur« und freute sich vergnügt krähend auf sein erstes Frühstücksei. Ich konnte meines sowieso nicht essen, weil Tante Pupke wieder so unappetitlich »Brumm-Brumm« machte, mit viel Krümeln im Mund, während sie die vorgekauten Bissen für Paulchen auf einem Trecker von Blechmobil über den Tisch schweben ließ. Abartig irgendwie.
    Ich hoffte nur inständig, dass die Frühstücksrunde sich bald auflösen möge und man mich endlich auf der freien Wildbahn zwischen Klavier und Klo ungehindert hin und her rennen lassen würde.
    Frau Pupke aber war zu einer Grundsatzdebatte bezüglich der Geschlechterrollen aufgelegt.
    »Wat soll ich auf dein Brot schmieren, Klaus? Lebawuast oda Mammelade?«
    Ich stutzte. Seit wann duzten die sich? Seit wann schmierte sie ihm die Brote?
    »Leberwurst, bitte«, sagte Klaus und griff zu seiner Zeitung.
    Das war mir neu, dass der Herr Doktor sich die Brote schmieren ließ. Als sie sich noch gesiezt hatten, hatte er sich die Brote meines Wissens selbst geschmiert. Ich rührte wütend in meinem Hirsebrei.
    Klaus ahnte nichts von meinen erregten Wallungen, er las Zeitung.
    Frau Pupke schob ihm mit ausladender Geste das Brot unter die Schlagzeilen. (»Kuckma, Klaus, so? Is dat getz dick genuch? Was? Sachma?«), füllte ihm dann Kaffee ein und goss Milch hinterher.
    Verdammt, dachte ich, jetzt verzieht sie mir den auch noch!
    Ganz langsam regte sich in mir der Verdacht, dass die gefühlsarme Irene sich vielleicht gar nicht von Klaus, sondern von Frau Pupke hatte scheiden lassen.
    Wegen Zerrüttung der Dreierkiste.
    Ich köpfte das Ei mit ziemlicher Schadenfreude.
    »Na, is mir dat gelungen, dat Ei? Was? Sachma!« fragte Frau Pupke, aber weder Klaus noch ich hatten gerade Lust auf die Analyse des Eidotters unter Berücksichtigung von Zähflüssigkeitsgrad und Tropfintensität. Ich nahm mein Herzenskind auf den Schoß und fütterte es mit Eigelb. Frau Pupke bemerkte das mit Missfallen.
    »Klaus, is dat denn gut für’n Junge, so’n Ei?«, fragte sie meinen zeitungslesenden Kindsvater.
    »Klar, warum nicht«, sagte die Rückseite der Zeitung.
    »Sachma.«
    Schweigen.
    »Du muss dat doch wissen, du biss doch en Doktor! «, hakte Frau Pupke nach.
    Gebannt starrte ich auf die Zeitung, gebannt starrte Paulchen auf den Eierlöffel.
    »Nein, nein, das geht schon in Ordnung«, sagte Klaus. »Der kann jetzt alles essen, was er nicht kauen muss.«
    »Woll!«, sagte ich triumphierend und fütterte Paulchen weiter.
    »Dat is aber ganz schädlich für so’n Junge«, beharrte Frau Pupke. »Dat hab ich getz noch gelesen. Da kriegen die Pickel von.«
    Pause, Schweigen. Ich kratzte beharrlich das Ei aus, um ja nicht mit dem Füttern aufzuhören, gerade in diesem Moment. Paulchen schmatzte. Er hielt zu mir.
    »Sachma. Klaus. Du biss doch en Doktor. Du muss dat doch wissen, woll? Sachma.«
    »Jaja«, sagte Klaus, ohne die Zeitung zu senken. »Der kann alles essen, glaub mir, Agnes.«
    AGNES!!!
    »Sachma.«
    Ratlose Pause.
    Paulchen kaute noch am Ei, und ich kaute noch an der Agnes.
    »Sachma, woll? Was, Klaus! WOLL!! Dat gibt Pickel für so’n Junge, wenn der inne Pupertät is! Sacht Walta auch. Achnes, sacht der Walta, Achnes, sachta, tu mir nich immer ein Frühstücksei kochen, da krich ich Pickel von. Sachma. Klaus.«
    »Walter ist doch Mitte Sechzig und nicht mehr in der Pubertät«, sagte Klaus hinter seiner Zeitung. »Bei dem ist das was anderes. Der soll keine Eier essen, weil sein Cholesterinspiegel zu hoch ist.«
    »Nee«, beharrte Frau Pupke. »Der kricht da Pickel von, sachta. Ich sach noch, Walta, willzte ein Frühstücksei, getz vor Ostern, ganz

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