Frauen al dente. (German Edition)
Kerl. Sie einfach nicht vorzuwarnen. Nun blieb bloß noch zu hoffen, daß die Villa geheizt war. Denn mittlerweile wehte ein frischer Wind, der ihr Schauder über die Haut trieb.
Pech auf der ganzen Linie. Barbecue war angesagt. Zwar windgeschützt hinter dem Haus, doch immer noch kalt genug. Als ihr die Zähne aufeinander schlugen, überwand Marlen ihren Stolz.
»Ich hätte besser auf Sie gehört und meine Jacke mitgenommen«, klapperte sie, an Sanders gewandt.
»Also doch. Schon als ich Ihr Kleid sah, habe ich mir gedacht: Hoffentlich wird es Ihnen nicht zu kalt werden.« Andrea Spa, die Herrin des Hauses, sprang hilfsbeflissen auf. »Am besten kommen Sie mal mit mir mit. Ich werde Ihnen schon das Passende zum Anziehen raussuchen.« Marlen warf Sanders einen fragenden Blick zu, doch der war mit seinem Geschäftsfreund, Friedhelm Spa, in ein ernstes Gespräch unter Männern vertieft. Leise aufseufzend folgte Marlen ihrer Gastgeberin. Nun denn, wenn sie ihr unbedingt Gutes antun wollte, indem sie sie in wärmende Gewänder hüllte, sollte sie es tun. Besser warm in fremden Klamotten, als erfroren in eigenen.
Marlen mußte der Gastgeberin, die in ihrer Pullover-Jeans-Kombination wie ein vollwertiges Mitglied des Denver-Clans aussah, zugestehen, daß sie sich auch mit ihr reichlich Mühe gab. Leider sprach einiges dafür, daß keine andere als sie dem Innenarchitekten aus dem netten kleinen Geheimtip-Hotel als Maß gedient hatte. Alles, was sie zunächst freudestrahlend, dann merklich ungehaltener Marlen zum Anziehen empfahl, war dieser entweder zu kurz oder zu eng. Bislang hatte Marlen sich mit Kleidergröße 38 als ungeheuer schlank empfunden. Nach der ergebnislosen Prozedur fand sie sich immer noch ungeheuer, aber bestimmt nicht mehr schlank. Obwohl ihre Magenwände vor lauter Hunger bereits aneinanderschlugen, würden sie gleich beim Barbecue bestimmt keinen Bissen mehr herunterbekommen.
»Bitte geben Sie sich doch nicht soviel Mühe mit mir«, bat sie kläglich. »Irgendeine Strickjacke tut es doch auch.«
»Ohne Strümpfe werden Sie sofort wieder frieren, das hat gar keinen Zweck«, stellte Frau Spa grimmig fest. »Wir können natürlich das Essen auch im Haus servieren«, überlegte sie laut.
Ein Barbecue im Haus? Unmöglich. Die Angelegenheit entwickelte sich zum Ärgernis.
»Einen Moment.« Frau Spa verschwand im angrenzenden Zimmer, um kurz darauf mit einem Arm voller Kleidungsstücke zurückzukehren: Jeans, Pullover und ein Paar derbe Stricksocken. »Das müßte Ihnen passen. Mein Mann hat etwa Ihre Größe.
Na danke. Eine wahrhaft aufregende Entwicklung. Was als Rendezvous gedacht war, wuchs sich zum Kostümball aus. Aufseufzend kletterte Marlen in die zu weite Hose Größe 52 und verknotete den Gürtel fest mit einem Doppelknoten. Es fehlte noch, daß ihr die Hose im Kreis seiner Geschäftsfreunde auf die Knöchel rutschte. Und überhaupt: Es wurde endlich Zeit, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen. Sie hatte sich mehr vom Abend versprochen, als Peer Sanders bereit war einzulösen.
Als Marlen ziemlich verlegen in ihrem Outlaw-Dress am Ort des Barbecues eintraf, fand sie sich allein auf weiterFlur. Andrea Spa hetzte zwischen Grill und Küche hin und her und schimpfte auf ihren Mann, der das Grillfeuer noch nicht entzündet hatte. Wo doch alle Welt wußte, daß die Kohle erst glühen mußte, bevor man das Fleisch darauflegen konnte.
Marlen, die das dringende Bedürfnis verspürte, sich für ihre Gastfreundschaft zu revanchieren, bot sofort an, nach den beiden Männern zu suchen.
»Sie sind drüben in der Garage. Peer wollte Ihnen ja ohnehin das Schaf zeigen.« Andrea Spa warf ihr ein paar ausgediente Latschen ihres Mannes vor die Füße, in die Marlen dankbar hineinschlüpfte. Sie konnte wohl schlecht auf Socken durchs Gelände laufen. Als sie sich umschaute, verstand Marlen schnell, weshalb das Anwesen der Spas trotz seiner Größe nicht unbedingt zur Schafzucht geeignet war. Ringsumher englischer Rasen in Reinkultur. Undenkbar, daß ein so dummes Tier wie ein Schaf unsortierte Büschel herausriß.
Die Garage lag mehrere hundert Meter von der Villa entfernt, was Marlen zunächst ungewöhnlich fand. Bei einigem Nachdenken kam sie jedoch zu dem Schluß, daß sie vermutlich nachträglich erbaut worden war. Zur Jahrhundertwende waren Automobile bekanntlich rar gesät. Die Männer waren nirgends zu sehen. Was hatte Frau Spa gesagt? Sie wären in der Garage? Dann blieb ihr wohl nichts anderes übrig,
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